Der stumme Tod
Luisenufer enden könnte, deswegen hatte er aufgeräumt. Seine Wohnung sollte nicht zu eindeutig nach Junggeselle aussehen. Sämtliche leeren Bierflaschen hatte er in den Keller gebracht, das dreckige Geschirr gespült und vor allem die Cognacflasche zu den anderen in den Schrank gestellt. Die holte er jetzt wieder hervor, zusammen mit zwei Gläsern. Dann stellte er noch einen sauberen Aschenbecher auf den Tisch und legte eine Platte auf, bevor er einschenkte.
»Ist das schön«, sagte Charly, »sich von einem Mann bedienen zu lassen!«
»Das gehört sonntags zum Service.« »Nur sonntags?«
Er zuckte die Achseln. »Probier's aus.« Sie prosteten sich zu. Kirie hatte sich unter dem Wohnzimmertisch zusammengerollt.
Den Hundekorb, den Rath so liebevoll hergerichtet hatte, ignorierte sie beharrlich. Eigentlich hatte der Hund in der Küche bleiben sollen, nachdem er dort einen ganzen Napf Hundefutter im Rekordtempo geleert hatte. Doch kaum hatte Rath die Tür geschlossen, ging das Theater wieder los: Bellen, Kratzen, Winseln; er hatte keine andere Wahl als wieder aufzuschließen. Zufrieden war Kirie mit ihnen ins Wohnzimmer getappt und hatte sich unter dem Tisch für ein Schläfchen zusammengerollt.
»Erziehst du den Hund oder er dich?«, hatte Charly gefragt. »Kirie gehört einer Diva, da darf sie sich schlechte Manieren erlauben.«
Sie saßen eine Weile im Wohnzimmer und lauschten der Musik.
Rath hatte etwas Langsames aufgelegt, einen schleppenden Blues. Bessie Smith sang, und Louis Armstrong spielte dazu Trompete.
»Darf man hier tanzen?«, fragte Charly.
Rath antwortete nicht, er stand auf, hielt ihr seine Rechte hin und zog sie aus dem Sessel. Eng aneinandergeschmiegt bewegten sie sich zu der sanften, aber gleichwohl rhythmischen Musik.
Er wartete bis zum Schlussakkord, dann nahm er ihr Kinn in seine Hände und küsste sie lange.
Heftiges Gebell riss sie aus ihren Träumen. Kirie stand vor ihnen und bellte sie empört, beinahe wütend an.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein«, meinte Rath, »das kann jetzt aber kein Zufall mehr sein! Immer wenn wir uns küssen, bellt dieser Hund. Aus, Kirie! Aus!«
Kirie kuschte und legte sich wieder hin.
Charly lachte. »Ich glaube tatsächlich, sie ist eifersüchtig. Sie hat etwas dagegen, dass du mich küsst.«
»Dann muss sie eben doch in ihr Körbchen.«
»Das funktioniert doch nicht, du weißt doch, was für ein Theater sie macht, wenn du sie einsperrst.«
»Dann habe ich eine andere Idee! Meinetwegen soll ihr die ganze Wohnung gehören, aber uns gehört das Schlafzimmer.«
Die Idee war gut. Kirie schien mit ihrem Schicksal zufrieden zu sein, kein Gebell war mehr zu hören, auch keine umfallenden Möbel oder heruntergerissenen Blumenvasen.
Endlich konnten sie sich küssen. Ihren Körper zu spüren, ihren Duft zu riechen, das alles erregte ihn ungemein. Noch während sie sich küssten, zogen sie sich gegenseitig aus. Sie verloren das Gleichgewicht und fielen aufs Bett. Rath küsste ihren schlanken Hals, den Nacken und arbeitete sich langsam weiter nach unten .. ,
Dann klingelte das Telefon, und Kirie begann wieder zu bellen. Rath versuchte, das Klingeln zu ignorieren, doch es hörte nicht auf. Das Bellen ebenfalls nicht.
Charly musste lachen.
»Was habe ich getan, dass mich das Schicksal so straft«, sagte er und stieg aus dem Bett. In Unterhosen ging er ins Wohnzimmer.
Vor dem Telefontisch stand Kirie und bellte das klingelnde Telefon an. Rath nahm ab, und der Hund beruhigte sich, kaum hatte das Klingeln aufgehört.
Es war Lange.
»Chef, endlich gehen Sie ans Telefon!«
»Was ist denn los?« »Sie hatten recht!« »Wie?«
»Mit den Kinos! Wir haben eine Leiche! Das Kosmos in Weißensee. Wahrscheinlich die Fastré.« Scheiße!
»Ist schon jemand draußen?«
»Alle. Sie sind der Einzige, der noch fehlt. Ich dachte, ich sage
Ihnen Bescheid, immerhin war es Ihre Idee ... « »Schon gut, ich komme.«
Kirie folgte ihm, als er ins Schlafzimmer zurückkehrte. »Und?«, fragte Charly.
Rath griff zu seiner Hose. »Die Burg.«
Mehr musste er nicht sagen, sie verstand und zog sich ebenfalls wieder an.
»Soll ich mit rauskommen?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Besser nicht. Wenn die Kollegen uns zusammen da sehen, gibt's nur Gerede.«
»Stimmt, gerade jetzt, wo ich eigentlich gar nicht in der Burg arbeite.«
»Willst du nicht einfach hier bleiben? Kannst mit Kirie noch ein bisschen vor die Tür gehen, wäre schön, wenn du dich um sie
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