Der stumme Tod
»Der Buddha ... also Kriminalrat Gennat, meine ich, hat gesagt, wir sollen das heute Abend noch durchackern?« »Ich sage das«, grunzte Böhm. »Wir suchen so lange, bis wir etwas gefunden haben.«
»Und wer guckt sich die Filme an?«, fragte Henning.
»Das erledigen wir morgen«, bestimmte Böhm. »Die Akten sind wichtiger. Alles, was irgendwie mit Betty Winter oder ihrem neuen Film zusammenhängt. Verträge, Honorarabrechnungen, Versicherungen, was weiß ich ... Und alles, was irgendwie Aufschluss über Bellmanns Vermögensverhältnisse und den geschäftlichen Erfolg oder Misserfolg seiner Filmgesellschaft Aufschluss gibt.«
»Und einer sollte sich Bellmanns private Notizbücher vornehmen und die Terminkalender«, meinte Rath, »vielleicht hat er irgendwo vermerkt, dass Peter Glaser eigentlich Felix Krempin heißt.«
»Das können Sie ja übernehmen«, meinte Böhm.
»Ich nehme an, das ist ein Befehl«, sagte Rath. Es sollte ein Scherz sein, aber Böhm lachte nicht.
»Dann wollen wir mal«, sagte der Oberkommissar und wuchtete die erste Kiste mit Akten auf einen Schreibtisch. »Jeder eine Kiste, dann kommen wir am schnellsten voran.«
Die drei Männer gehorchten.
»So ganz genau habe ich das immer noch nicht verstanden«, sagte Lange, als er den ersten Leitzordner aufschlug, den er aus seiner Kiste genommen hatte. »Was suchen wir jetzt eigentlich genau?« »Munition für Kriminalrat Gennat«, sagte Böhm.
Dienstag,
11. März 1930
Kapitel 45
Seine Tochter hatte Heinrich Bellmann nicht mitgebracht, aber seinen Anwalt. Punkt zehn Uhr erschien er im Trakt der Mordinspektion, unmittelbar gefolgt von Gräf und Mertens, denen anzusehen war, dass sie die Nacht im Auto verbracht hatten. Unrasiert und in zerknitterten Anzügen kamen die beiden durch die Glastür, während ihr Zielobjekt wie aus dem Ei gepellt auf der Holzbank vor Gennats Büro Platz nahm, nachdem Trudchen Steiner ihn gebeten hatte, sich noch etwas zu gedulden.
Für Gräf und Mertens ließ Gennat Kaffee in die Mordbereitschaft bringen, Bellmann dagegen ließ er weiter zappeln.
»Wie war denn die Nacht in Weißensee?«, fragte er.
»Der Mann hat die ganze Nacht brav zu Hause verbracht«, meldete Gräf und pustete in seinen heißen Kaffee. »Nur sein Anwalt hat sich gegen acht Uhr verabschiedet, die Tochter ist im Haus geblieben.«
»Die wohnt schließlich auch da«, sagte Gennat. »Und der Mann hat keinerlei Anstalten gemacht zu fliehen?«
»Schwer zu sagen.« Gräf zuckte die Achseln. »Hat in der Nacht ein paar Mal aus dem Fenster geschielt, aber wohl geahnt, dass wir ihn nicht einfach so davonlaufen lassen würden.«
»Dann waren Sie wohl auffällig genug.«
»Hupen mussten wir nicht, er hat uns auch so bemerkt«, meinte Gräf. »Warum haben Sie ihn eigentlich nicht gleich in Untersuchungshaft nehmen lassen, wenn Sie glauben, er könne versuchen abzuhauen? «
»Weil ich sehen wollte, wie er sich verhält. Und weil wir nichts gegen ihn in der Hand haben, das eine Untersuchungshaft rechtfertigt.«
»Immer noch nicht?« Gräf zeigte auf das Chaos von Aktenordnern und Kartons, das sich mittlerweile im großen Büro der Mordbereitschaft breit gemacht hatte.
»Noch nicht das, was wir suchten, aber genug, um ihn gleich in die Mangel nehmen zu können.« Gennat ging durch die Verbindungstür wieder nach nebenan, in sein Büro. »In einer halben Stunde legen wir los, die Herren Böhm und Rath kommen dann bitte zu mir herein«, sagte er noch, dann schloss er die Tür.
Immer noch wurde in der Mordbereitschaft fieberhaft gearbeitet.
Sie hatten gestern Abend zwar schon ein paar Dinge gefunden, die Bellmann in Schwierigkeiten bringen würden und die Hausdurchsuchung rechtfertigten, aber nichts, was auch nur ansatzweise für eine Mordanklage reichte. Heute Morgen um acht hatten sie gleich weitergemacht, obwohl Rath nach langen Stunden in der Burg erst um kurz vor zwölf nach Hause gekommen war. Selbst die tägliche Besprechung hatten sie auf den Nachmittag verschoben. Die eine Hälfte der Mordinspektion ging den wenigen Spuren nach, die sie bislang in den Kinomorden hatten, die andere saß in der Mordbereitschaft und wühlte sich immer noch durch Verträge, Honorarabrechnungen und Versicherungen, auf der Suche nach dem entscheidenden Fund. Der Buddha hatte es sich um halb neun an seinem Schreibtisch bequem gemacht, ließ sich von seinen Mitarbeitern mit neuen Erkenntnissen füttern, dachte nach und aß Kuchen.
Das tat er auch noch, als Rath
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