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Der Stundenzaehler

Der Stundenzaehler

Titel: Der Stundenzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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lachte und schaute dann in die Ferne.
    Â»Aber das sind die schwierigen Sachen«, sagte er.
    Â»Schwierig?«
    Â»Sonne und Mond. Die sind weit weg. Ich will doch bloß wissen, wen ich heirate. Wenn du die schwierigen Sachen weißt, warum dann nicht die einfachen?«
    Dor lächelte in sich hinein. Solche Fragen hatte er als Junge auch gestellt. Und er wusste noch, wie enttäuscht er gewesen war, wenn er keine Antwort bekam.
    Â»Warum möchtest du das denn wissen?«
    Â»Na ja«, antwortete sein Sohn, »wenn die Steine mir sagen würden, dass ich Iltani heiraten werde, dann wäre ich froh.«
    Dor nickte. Iltani war die scheue, hübsche Tochter eines Ziegelmachers. Sie würde bestimmt einmal eine schöne Frau werden.
    Â»Und wenn die Steine nun sagen, dass du Gildesh heiraten wirst?«
    Sein Sohn verzog das Gesicht, was Dor schon geahnt hatte.
    Â»Gildesh ist zu dick und zu laut!«, protestierte der Junge. »Wenn die Steine sagen, dass ich sie heiraten werde, dann laufe ich davon!«
    Dor lachte und wuschelte seinem Sohn durchs Haar. Der Junge griff nach einem der Steine und schleuderte ihn durch die Luft.
    Â»Nein, nicht Gildesh!«, schrie er.
    Dor sah dem Stein nach, wie er über den Hof flog.
    Und als Dor nun Sarah ansah, entsann er sich dieses Augenblicks.
    Er fragte sich, was wohl aus Gildesh geworden war – hatten Jungen und Männer sie mit derselben Heftigkeit verschmäht, wie es nun Sarah widerfuhr?
    Dor dachte an den Stein, der durch die Luft geschleudert wurde – an die kindliche Vorstellung, dass man die Zukunft wegwerfen konnte, wenn sie einem nicht zusagte.
    Und plötzlich wusste er, was er tun musste.
    Er hielt das Stundenglas hoch und blickte hinein.
    Alles war so, wie er es erwartet hatte: Der Sand in beiden Kolben bewegte sich nicht. Die Zeit stand still.
    Dor entfernte erneut den Deckel der uralten Sanduhr.
    Â»Was tun Sie da?«, fragte Victor.
    Â»Was mir befohlen wurde«, antwortete Dor.
    Er schüttete den Sand aus dem oberen Kolben – die zukünftige Zeit – auf den Boden der Lagerhalle, und so viel Sand wie aus Hunderten von Stundengläsern floss heraus.
    Dann legte er das Stundenglas auf die Seite, und es vergrößerte sich zu einem gigantischen Tunnel, in den der Sandpfad hineinführte, so hell schimmernd wie Mondlicht auf einem Ozean.
    Dor zog die Schuhe aus, betrat den Sand und bedeutete Victor und Sarah, es ihm gleichzutun.
    Â»Kommt«, sagte er.
    Er schaute auf seine Arme. Zum ersten Mal seit sechstausend Jahren schwitzte er.
    Einstein stellte die Theorie auf, dass die Zeit sich relativ zur hinter sich gelassenen Welt verlangsamt, wenn man sich mit extrem hoher Geschwindigkeit bewegt …
    â€¦ so dass es auf jeden Fall theoretisch möglich wäre, die Zukunft zu sehen, ohne dabei älter zu werden.
    Sarah hatte das in Physik gelernt, und Victor hatte sich früher einmal mit dieser Theorie beschäftigt. Und nun wurden sie seitens eines dunkelhaarigen Mannes, der ihres Wissens nach in einem Uhrenladen arbeitete, aufgefordert, diese Theorie zu testen. Indem sie auf einer Sandbahn in ein riesiges Stundenglas spazierten.
    Â»Gehen Sie mit?«, fragte Sarah Victor.
    Â»Ich lasse mich nicht darauf ein«, antwortete der. »Ich hatte Dokumente. Verträge. Jemand sabotiert hier vorsätzlich meine Pläne.«
    Sarah schluckte. Aus irgendeinem Grund wünschte sie sich, dass dieser alte Typ sie begleitete. Sie hatte das Gefühl, als könne er ein wichtiger Freund für sie werden.
    Â»Bitte?«, fragte sie leise.
    Victor wandte den Blick ab. Sein Verstand riet ihm in jeder Hinsicht davon ab: Er kannte dieses Mädchen nicht. Und der Bursche aus dem Uhrenladen mochte irgendein Scharlatan und Betrüger sein.
    Aber Sarahs Tonfall.
    Bitte .
    So idiotisch dieses Gefühl auch sein mochte – es war das aufrichtigste Wort, das er seit langer Zeit gehört hatte. Nur wenige Menschen standen Victor so nahe, dass sie ihn um etwas baten.
    Er ließ den Blick durch die Halle schweifen.
    Hier war nichts außer Starre und Kälte.
    Victor schaute Sarah an.
    Wenn wir am einsamsten sind, begreifen wir die Einsamkeit anderer.
    Er nahm Sarah an der Hand.
    Und alles wurde dunkel.

71
    Zuerst fühlte es sich an, als stiege man eine unsichtbare Brücke empor.
    Sie schritten durch die Dunkelheit aufwärts und sahen nichts außer ihren Fußspuren, die golden schimmerten und sich

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