Der Sturm
Gefängnis landen können, wegen Steuerhinterziehung oder weil er betrunken Auto fährt. Aber er ist ein Sturschädel, die Leute mögen ihn, er gehört hierher, sie halten ihn für einen der ihren, und irgendwie kommt er immer durch. Was macht ihr eigentlich bei ihm?« Die Frage war an Katarina gerichtet.
»Ach, wir reden so, über alles Mögliche, über Internet und Computer und so«, sagte die Tochter.
Ein Auto fuhr vor. Wenig später trat ein junger Mann ein, groß, dunkelhaarig, blauäugig, schlank und durchtrainiert, mit einem Gesicht wie von Morten Harket, dem Sänger von A-ha, dachte Ronny, in den frühen Jahren seines Ruhms. Schlaksig stand er im Raum und wirkte ein wenig deplatziert.
»Wie geht es dir, Magnus?«, fragte Benigna. Und zu Ronny sagte sie: »Das ist Magnus Sjöström, ein Klassenkamerad von Katarina. Wenn man ihn lässt, liest er den ganzen Tag, zur Zeit vor allem Dostojewski, nicht wahr, Magnus, du liest doch immer die ›Bösen Geister‹, nicht wahr?«
Der junge Mann nickte verlegen. Ronny sah, wie Katarina zu ihm hinüberschaute und dass in ihren Augen, die doch eben noch so kühl und abweisend gewirkt hatten, ein warmes Leuchten aufgezogen war.
»Und das ist Ronny, ein alter Freund. Er hat auch sehr viel gelesen.« Jetzt war es an Ronny, verlegen zu sein. Er schaute den jungen Mann kurz an, erkannte, dass er sich schnell mit ihm verständigen konnte, und sagte: »Wir vertagen die Verschwörung auf später, nicht wahr?«
Der junge Mann lachte: »Ja.« Das Lachen hob die allseitige Verlegenheit auf. Doch war Magnus Sjöström sichtlich erleichtert, als er mit Katarina endlich den Raum verlassen durfte.
»Ist er Katarinas Freund?«
»Magnus? Möglich. Ich weiß es aber nicht. Sie sagt, er sei unglaublich gebildet und kenne sich gut mit Computern aus. Sie bewundert ihn. Sie kennen sich aus der Schule, sie kamen beide in diesem Jahr nach Älmhult. Magnus war vorher in New York und in Malmö. Schöne Karriere, nicht wahr? Es war wohl Magnus, der sie bei Wille einführte. Vorher hat sie sich jedenfalls weder für Computer noch für Ökonomie interessiert. Er ist sehr schüchtern, wie du siehst.«
Ein Auto fuhr davon. Danach war Stille. Als Ronny sicher war, dass die beiden jungen Leute das Haus verlassen hatten, erzählte er die Geschichte, die seit Tagen sein Gewissen belastete, die Geschichte von den schwarzen Schuhen und seiner Begegnung in der Imbissbude an der Straße nach Växjö. Benigna schüttelte den Kopf.
»Manchmal bist du echt bescheuert. So was von borniert. Du hast doch nichts davon, wenn du der Polizei nicht erzählst, was du gesehen hast. Alles Trotz und Besserwisserei. Meinst du, du würdest etwas Gutes tun, wenn du die Polizei im Dunkeln herumlaufen lässt? Meinst du, sie geht dann an ihren inneren Widersprüchen zugrunde?«
Ronny schwieg. Er fühlte sich ertappt, wie ein kleiner Junge, der ausgeschimpft werden muss. Als er ging, nahm Benigna ihn in den Arm und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Hör auf«, sagte sie leise, »wir waren nicht in Paris, wir waren nicht bei Deleuze, damit du in Osby Lokalreporter wirst.« Ronny verstand diese Botschaft wohl, das Mitleid, das darin lag, die aufrichtige Anteilnahme, aber auch den Hohn. Was hätte er nicht alles werden können. In Wahrheit hatte er nie eine Wahl gehabt.
Zwölf
»Kannst du mir nicht gleich sagen, was du willst?« Nur widerwillig hatte sich Pelle Larsson auf eine Verabredung eingelassen, als Ronny Gustavsson ihn anrief.
»Nein, es liegt ein paar Tage zurück, es ist ein bisschen unsicher, und ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll. Es ist mir lieber, wenn du mir gegenübersitzt.«
»Heute Mittag, fünf Minuten, auf einen Kaffee.«
»Nein, später, am Nachmittag. Ich muss noch einen Artikel über den alten Bunker in Osby schreiben.«
»Was für einen Bunker?«
»Hast du nichts davon gehört? Die Gemeindeverwaltung von Osby besitzt einen Bunker, für sich selbst, an der Ortseinfahrt, gleich neben dem Gymnasium. Das Ding soll Sprengbomben bis zu 500 kg standhalten. Wirklich verrückt, der Bunker ist erst 1973 gebaut worden und besteht eigentlich nur aus einem großen Raum mit einem Beratungstisch in der Mitte, und an den Wänden hängen Landkarten. Wenn man da unten ist, glaubt man, der Dritte Weltkrieg stehe unmittelbar bevor, mitten in Osby. Schwere Stahltüren hat der Bau und einen Luftfilter und eine Einbauküche in Gelb. Jetzt will die Gemeinde nichts mehr davon wissen und hat ihn
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