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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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sogar Wilhelm af Sthen, und er tat nur so, als wollte er kondolieren. Wildfremde Leute sind hergekommen, aber der Computer ist nicht da. Die Polizei hat alles auf den Kopf gestellt, im Haus, in der Garage, im Garten: Es gibt hier kein Notebook. Und nun geh bitte.«
    »Es tut mir sehr leid.«
    »Uns auch.« Die Tür schloss sich. Ronny stand noch einen Augenblick vor dem roten Haus. Langsam ging er zu seinem Auto zurück. Er ahnte jetzt, dass der Einbruch nicht seinem Notebook gegolten hatte. Nein, da war noch ein anderes Gerät, und das hatte mit ihm nichts zu tun. Er würde jetzt nur einen kleinen Artikel schreiben, dachte er, nur ein Stück über den Stand der Ermittlungen und darüber, dass man offenbar nicht wusste, wie Magnus ums Leben gekommen war. Und bloß nichts über die Eltern schreiben: Man muss diese armen Leute in Frieden lassen.

Einunddreißig
    Lorenz Winkler trug Gummistiefel, stand am Ufer des Helgeå und hatte eine Wurfangel zwischen die Knie geklemmt. Ronny Gustavsson stand vor ihm und spannte über einem unsichtbaren Faden die Hände auf. Gemeinsam versuchten sie, eine Angelleine zu entwirren, die sehr dünn und durchsichtig war. Aus zwei Metern Entfernung war sie schon beinahe nicht mehr zu erkennen.
    »Noch einmal«, sagte Ronny, »du hältst die Angel waagerecht zum Boden und legst den Bügel um. Dann ziehst du die Leine mit dem Zeigefinger an und hebst die Angel bis etwa drei Uhr. Bis dahin, ja, genau. Dann lässt du sie nach vorne schnellen, und so gegen elf Uhr lässt du die Leine los, und der Blinker fliegt dorthin, wo du den Fisch vermutest. Wenn du zu früh oder zu spät loslässt, wird der Bogen kürzer. Oder die Leine – verheddert sich.« Er hatte eine Weile im Gedächtnis nach dem französischen Wort für »sich verheddern« suchen müssen, und das war mindestens so kompliziert wie der Vorgang: »s’enchevêtrer«.
    »Genau so habe ich es gemacht, aber der Blinker flog nicht, nur die Leine. Vielleicht ist die Spule kaputt? Das ist ja avanciertes Handwerk hier, fast schon eine Kunst. Und ich habe immer gedacht, man hängt einen Regenwurm an einen Haken, der an einer Schnur hängt, und das ist Angeln.«
    »Die Spule ist in Ordnung. Komm, versuch’s noch einmal.« Und tatsächlich, der Blinker, ein Wobbler mit Tiefenschaufel, flog zwanzig, dreißig Meter hinaus auf das offene Wasser, wo er mit einem lauten Platschen aufschlug.
    »Lass ihn sinken, der Hecht liegt meistens auf dem Grund, und das Wasser ist dort bestimmt ein paar Meter tief. Jetzt hol die Leine ein, in rhythmischen Bewegungen, zieh die Angel hoch, lass sie sinken, jetzt wieder hochziehen. Genau so. Nicht das Kurbeln vergessen.«
    Als der Köder wieder da war, musste von dem Haken das Grünzeug entfernt werden, das sich darin verfangen hatte. Beim nächsten Mal ging es noch besser, der Wurf reichte bis in die Mitte des kleinen Sees, den der Fluss hier gebildet hatte. Beim übernächsten Mal landete der Blinker kurz vor dem Schilf auf dem anderen Ufer. Und es platschte auch nicht mehr so.
    »Großartig, wenn der Hecht irgendwo ist, dann ist er da. Lass den Köder nicht zu tief hinunter, das Wasser ist flach dort, jetzt, jetzt kannst du ihn sinken lassen.«
    Zweimal, dreimal wiederholte Lorenz die Übung. Dann spürte er ein Ruckeln in der Angel, als wolle sich der Blinker im Boden verhaken. Er zog die Leine ein Stück ein, aber das Ruckeln verschwand nicht. Er zog schneller, und auf der Wasseroberfläche begann ein Platschen, Zappeln und Schlagen, ohne dass der Widerstand größer geworden wäre. Lorenz war jetzt sehr aufgeregt. Zum ersten Mal in seinem Leben fing er einen Fisch! Als er den Fisch bis auf zwei Meter zu sich herangezogen hatte, hob er die Angel – und da hing er: ein Hecht, vielleicht einen knappen halben Meter lang und dünn wie das Handgelenk einer sehr schlanken Frau. Lorenz ließ den Fisch am Ufer nieder, wo er nur noch leicht zitterte.
    »Der ist aber noch sehr jung. Willst du ihn behalten?«, fragte Ronny.
    »Kann man ihn essen?«
    »Gewiss, aber es ist viel Arbeit, ihn zuzubereiten. Ein Hecht hat viele Gräten. Und es kommt am Ende nicht viel dabei heraus. Meine Mutter hat deswegen aus Hechten immer Mousse gemacht.«
    »Kann man das Tier ins Wasser zurücksetzen?«
    »Selbstverständlich.« Ronny griff den Hecht hinter dem Kopf, zog ein paarmal am Haken, bis der Fisch die Backe aufriss und frei war. Dann warf er ihn zurück in den Fluss, in dem er mit ein paar schnellen Bewegungen

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