Der Sturm
hineingeschossen. Anstatt sich zu beruhigen, schien die Gewalt immer wieder zu eskalieren. Am Tag darauf brachte »Skåneposten« einen Artikel von Wilhelm af Sthen, der sofort einen Skandal verursachte. »Das Verbrechen sind wir«, lautete die Überschrift über dem Stück.
Es hob an mit den Sätzen: »Wir glauben, es seien die Immigranten, die das Verbrechen nicht nur nach Malmö und sogar nach Visseltofta, sondern in unser ganzes Land gebracht haben. Wir glauben, es sei die offene Grenze nach Dänemark oder zum Kontinent hin, die uns die höchsten Verbrechensraten in ganz Skandinavien beschert. Wir glauben, es seien immer die anderen, die morden und rauben. Was für ein Irrtum.«
In den folgenden Sätzen erklärte Wilhelm af Sthen, es sei ein großer und vermutlich folgenreicher Fehler, die Welt in die Anständigen und die Unanständigen zu teilen. In Wahrheit sei vor allem das organisierte Verbrechen weder von der Wirtschaft noch von der Politik zu trennen. »Die Mafia ist nicht fremd in dieser Welt, sondern völlig in ihr zu Hause. Sie ist das Modell aller fortgeschrittenen geschäftlichen Unternehmungen.«
Eine Welle von empörten Anrufen und Leserbriefen brach über »Skåneposten« herein, zu Hunderten wurden Abonnements gekündigt, die Konkurrenz brachte Artikel unter Überschriften wie: »Regionalzeitung: Alle Schweden sind Verbrecher« oder »Die Weltrevolution kommt aus Kristianstad«. Mats Eliasson gab sich selbstkritisch: Vielleicht hätte man den Artikel doch nicht drucken sollen, meinte er. Für die Zeitung sei da die Geschichte mit dem Hund, der an die Tür eines Wohnmobils genagelt worden sei, ein wahres Glück – das Tier habe die Leute noch mehr beschäftigt als die linksradikalen Ansichtens des Freiherrn. Und als Ronny am Abend seine Mutter im Altenheim anrief, um zu erfahren, wie es ihr gehe, wollte auch sie über diesen Artikel reden. Und über den Hund natürlich. Das ganze Heim habe heute über nichts anderes gesprochen, es sei eine heillose Verwirrung gewesen. Die Mutter lachte, sie hatte offenbar Spaß an der Aufregung. Und sie selbst – sie habe sich doch sehr an die Ansichten erinnert, die ihr Sohn vor dreißig Jahren unter die Leute hatte bringen wollen. Als Ronny jedoch berichtete, man habe in der Zeitung darüber diskutiert, ob es überhaupt richtig gewesen sei, den Artikel zu veröffentlichen, meinte sie entrüstet: »Aber er ist doch von Wilhelm af Sthen!«
Dreißig
»Deine Freundin hat übrigens bei mir angerufen.« Die Zeitung »Skåneposten« hatte ein neues System für die morgendliche Konferenz der Blattmacher eingerichtet. Das Telefon war überflüssig geworden. Ronny Gustavsson saß vor einem Bildschirm in Osby und konnte die Kollegen in Kristianstad auf dem Monitor sehen. In der Mitte thronte der Chefredakteur, sichtlich stolz auf die neuen technischen Errungenschaften. Und dieser sah ihn.
»Ronny, deine Freundin hat bei mir angerufen«, sagte Mats Eliasson noch einmal. Ein paar Kollegen lachten.
»Wer?«
»Benigna Klint.«
»Das ist nicht meine Freundin.« Die Kollegen lachten schon wieder, und das Lachen klang gehässig. Ronny fühlte sich sehr unwohl: Mit seinem Privatleben sollten diese Leute nichts zu tun haben.
»Ich hatte einen anderen Eindruck. Jedenfalls verlangte sie, dass wir eine Art Klageschrift gegen die Polizei in Ljungby veröffentlichen. Du sollst das schreiben, findet sie: dass der junge Mann, der da am Stuhl hing, sich gar nicht selber umgebracht hat. Dass er ermordet worden ist. Da sei sie ganz sicher, und ihre Tochter sei es auch.«
»Und warum redet sie nicht mit mir?« Das Gelächter wollte jetzt gar nicht mehr aufhören.
»Das scheint mir euer Problem zu sein«, grinste Mats. »Jedenfalls ist das eine gute Idee, und du solltest herausfinden, was man damit machen kann. Also rede mit denen, mit der Polizei, mit seinen Freunden, was weiß ich, aber auch mit den Eltern des Jungen.«
»Das ist in Älmhult, das liegt in Småland. Das ist nicht mehr unser Berichtsgebiet.«
»Ronny, da gibt es eine junge Journalistin in Älmhult, die uns das sofort aufschreiben würde.«
»Ich fürchte, ich weiß, wen du meinst.«
»Und vergiss nicht, mit den Eltern zu reden. Die sind zwar schon ein paarmal vorgekommen, auch bei der Konkurrenz. Aber unsere Leser wollen wissen, wie das ist, wenn man den Sohn verliert.«
»Muss das sein? So, wie die beiden aussahen, geht ihnen der Tod des Jungen doch sehr nah.«
»Ronny!« Der Chefredakteur rief den Namen
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