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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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nicht?«
    »Natürlich habe ich daran gedacht. Und Pelle Larsson ist auch auf diesen Gedanken gekommen. Mit ihm musste ich sogar die Klassenlisten durchgehen. Ich glaube, die Polizei forscht einigen der Schüler immer noch hinterher. Sie sind ja mittlerweile in der ganzen Welt verstreut.«
    »Die lassen nicht locker, oder, diese Polizisten?«
    »Nein, Pelle hat mir gesagt, er habe einmal fünf Jahre an einem Mordfall gearbeitet. Dann hatte er den Täter. Zur Zeit sucht er, glaube ich, hauptsächlich das Auto und das Telefon.«
    »Merkwürdig, der Täter interessiert mich eigentlich gar nicht. Der Tote viel eher. Das war ein interessanter Mann.«
    »Du hast ja darüber geschrieben. Manchmal träume ich von ihm, das heißt: von seiner Leiche. Aber er ist eigentlich nicht bedrohlich, in meinen Träumen. Er wirkt eher selber sehr erschrocken, wenn das geht, bei einer Leiche. Immer trägt er diese Schuhe.«
    »Ja, solche Leute haben wir in Schweden nicht.«
    »Du meinst: mit solchen Schuhen?« Bertil lachte.
    »Quatsch.«
    Es fing wieder an zu regnen. Bertil kochte Kaffee und buk vier Zimtschnecken auf. Im Wohnzimmer waren die elektrischen Heizelemente angeschaltet. Ein seltener Friede senkte sich über Ronny, wie er da auf dem alten, braunorange gestreiften Ikea-Sofa saß, eine Zimtschnecke kaute und den ausgestopften Mäusebussard mit den ausgebreiteten Schwingen betrachtete, der auf dem Kaminsims thronte. Der gelbe Schnuller hing ihm noch immer im Schnabel. Er mochte Bertil, und er hatte den Eindruck, dass Bertil auch ihn mochte.
    Drei Tage später, mit dem Ende der Schulferien, kehrte Ronny in die Redaktion zurück. Er schrieb über eine Mutter, die ein mürrischer Busfahrer im Regen versehentlich an der Haltestelle hatte stehen lassen, nachdem ihre kleinen Kinder schon eingestiegen waren, die es dann nicht wagten, den Busfahrer anzusprechen, weil dieser so unfreundlich aussah. Er schrieb über einen Holländer, der den beinahe wieder in Wald übergegangenen Volkspark von Osby gekauft hatte, um dort ein Rockabilly-Museum einzurichten. Er schrieb über einen gescheiterten Versuch zweier Betrunkener, den Geldautomaten von Verum mit Hilfe eines Traktors und einer schweren Kette zu stehlen. Die Kette war gerissen und hatte, zurückschnellend, einen der beiden schwer verletzt. Und nachdem er den Titel »Hungriger Kunde stopft sich heiße Rippchen unter die Jacke« über einen Artikel gesetzt hatte, in dem es um einen Ladendieb ging, der frisch gebratene Schweine-Spareribs gestohlen hatte, bekam er einen Anruf von seinem Chefredakteur, der ihn zu größerem Ernst bei der Arbeit ermahnte. Immer noch sang Bob Dylan »Beyond Here Lies Nothin’«. Aus Ekeby Gård kam eine Einladung auf einem edlen Briefbogen, auf dessen Kopf ein Wappen prangte: Freiherr Wilhelm af Sthen freue sich, hieß es darin, Monsieur le Maître Ronny Gustavsson zur Konferenz »Paying Promises. The Politics of Internet and the Future of Finance« begrüßen zu dürfen. Für die Übernachtung in Kristianstad sei gesorgt.

Dreiunddreißig
    Die lange Rampe, die nach Ekeby Gård hinaufführt, war mit Transparenten behängt. »Beendet die Herrschaft der Banken«, stand darauf oder »Wir sind die 99  Prozent« und »Occupy Ekeby«. Ein paar hundert Demonstranten hatten auf der Wiese unterhalb der Rampe ein Zeltlager eingerichtet, mit Zustimmung von Wilhelm af Sthen. Er hatte ihnen sogar eine Suppenküche und ein paar »bajamajas«, mobile Toiletten, zur Verfügung gestellt, unter der Bedingung, dass die Demonstranten nicht die Zufahrt sperrten und dass sie die ankommenden Gäste nur mit ihren Flugblättern behelligten. Sie hielten sich an die Übereinkunft. Das Wetter war so berückend schön geworden, als sollte nun, da die Industrieferien vorüber waren und die Schule wieder begonnen hatte, ein Ausgleich für den verlorenen Sommer geschaffen werden – oder als Hohn für alle, deren Ferien verregnet gewesen waren und die sich jetzt das herrliche Wetter aus geschlossenen Räumen angucken mussten.
    Die Reithalle hinter dem Schloss war als Auditorium hergerichtet worden, mit einem kleinen Podium und einem halbrunden Kreis von Stühlen für knapp hundert Zuhörer. Zwei Fernsehteams waren gekommen, eines, das die Veranstaltung für die »Freibeuter« dokumentieren sollte, ein anderes, das für das schwedische Fernsehen arbeitete. Die berühmtesten Gäste durften im Schloss wohnen, Randall Brubaker etwa, der finanzpolitischer Berater von Präsident Clinton

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