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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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gewesen war, Chantal Laforge, die für die Europäische Zentralbank gearbeitet hatte und jetzt in Brüssel einen Thinktank betrieb, und auch Richard Grenier. Die minder bedeutenden Gäste, darunter Lorenz Winkler, waren in Hotels in Kristianstad untergebracht worden und wurden in einem schwarzen Volkswagen Multivan nach Ekeby Gård gefahren. Ronny Gustavsson erkannte den Fahrer sofort wieder: Es war Olle, der junge Mann mit der Figur eines Gewichthebers, der jetzt einen billigen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine schmale, schwarze Krawatte trug, so dass er aussah wie ein Totengräber.
    Als Wilhelm af Sthen die Gäste vor dem Reitstall empfing und Lorenz wie einen alten Freund umarmte, nahm dieser ihn beiseite: »Wenn du der Öffentlichkeit etwas erklären willst, solltest du einen aus dem Zeltlager einladen.« Wilhelm schickte sofort einen seiner jungen Männer hinunter zur Rampe.
    Wilhelms Eröffnungsansprache war kurz. Er hieß die Gäste willkommen, gab einen kleinen Abriss zur Geschichte von Ekeby Gård, erklärte den Tagesablauf und lud alle Anwesenden zu einem großen Abendessen in einem Zelt ein, das zu diesem Zweck im Schlosspark errichtet worden war. Den ersten Vortrag hielt Richard Grenier. Er sprach, nur gelegentlich in seine Aufzeichnungen schauend, über die Fortschritte der Informationstechnik, über die Datennetze und die Wolke, über das Ineinanderwachsen von Daten- und Geldströmen. Wenn es überhaupt eine Kontrolle dieser Daten- und Finanzströme geben könne, dann müsse diese geheim sein – und individuell.
    »Seltsam«, sagte Lorenz zu Ronny, als die beiden sich in der Kaffeepause trafen, »dieser Mann verlangt eine private Verschwörung zur Rettung der Weltwirtschaft. Und er redet, als hätte er zwei Seelen in seiner Brust. Die eine beruhigt, die andere droht. Die eine spricht von Sicherheit, von Technik und von Maßnahmen, die andere redet von Angriff, vom Sprengen und Zerstören, von Katastrophe und Apokalypse.«
    »Kennst du ihn?«
    »Ich habe ihn einmal getroffen, bei einer Veranstaltung an der Columbia University in New York. Ein seltsam undurchsichtiger Kerl. Er wirkt, als wäre er ganz und gar pragmatisch, auf eine amerikanische Weise. Aber seine apokalyptischen Drohungen passen schlecht dazu. Warum macht er das, wenn er doch Geld verdienen will? Damals, in New York, fragte er mich nach den äußersten Konsequenzen einer globalen Finanzkrise.«
    »Und was hast du ihm geantwortet?«
    »Dass das Ende des globalen Finanzverkehrs das Ende allen Finanzverkehrs sein wird, was denn sonst.« Mitten in der Menschentraube um Wilhelm erkannten sie jetzt Benigna Klint, die an der Organisation der Veranstaltung beteiligt zu sein schien. Sie winkte ihnen zu, kam herüber, umarmte Lorenz und begrüßte Ronny wieder mit einem leichten Schlag auf die Schulter. Und während sich Benigna und Lorenz sofort tausend Dinge zu erzählen hatten, über den vergangenen Sommer, die schönsten Ortschaften des Veneto und die jüngsten Ereignisse in der Waldwirtschaft, stand Ronny schweigend daneben. Er überlege sich, scherzte Lorenz, ein kleines Haus am Helgeå zu kaufen, als Rückzugsort zum Schreiben und als Schutzhütte vor den globalen Katastrophen, mit denen jetzt zu rechnen sei. Benigna bot ihm sofort an, sich ein »torp« am See auf ihrem Gut anzusehen. Früher habe einer ihrer Arbeiter darin gewohnt, aber jetzt betreibe sie ja die Landwirtschaft nicht mehr selber. Das Haus sei leicht zu renovieren und eigne sich gut, falls er mit einem Kaminofen umgehen könne. Ronny schaute betreten zu Boden und ging dann allein in den Park, um sich den letzten Glanz des Sommers anzuschauen.
    Der letzte Vortrag vor dem festlichen Abendessen gehörte Randall Brubaker, einem schlanken Mann von fast achtzig Jahren, dem das öffentliche Sprechen offenbar zur zweiten Natur geworden war. Sein Referat, das hauptsächlich von Verantwortung und Vertrauen handelte, von der Notwendigkeit, dass die großen Wirtschaftsmächte gemeinsam die Zukunft der globalen Ökonomie gestalten, blieb ziemlich allgemein und vage. In der anschließenden Debatte jedoch war der Gesandte des Zeltlagers aufgestanden, ein schmaler, muskulöser Kerl mit langen, dunklen Locken, der dem frühen Jim Morrison ähnelte. Wilhelm, der die Diskussion leitete, ließ diesen jungen Mann gewähren.
    »Sie«, rief der junge Mann und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf Randall Brubaker, »und Sie und Sie und Sie« – der Finger fuhr wild in der Luft

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