Der Sturm
unser Mr Perfect auch das perfekte Auto bekommt.«
Julia schien nicht überzeugt zu sein.
»Hör mal, Davids Wagen war dunkel, das weiß ich genau. Das Unfallauto war hell, ich glaube, es war ein Lincoln. Kein Grund, sich Sorgen zu machen, okay?«
Eine Erinnerung stieg in ihm auf. Einen hellen Lincoln hatte er doch heute Morgen auf dem Parkplatz gesehen, oder? War das nicht Forsters Auto gewesen?
»Ich weiß, wer den Unfall hatte«, platzte er heraus und erzählte Julia, was ihm eingefallen war.
»Die armen Forsters«, sagte sie. Aber sie sah doch erleichtert aus und schenkte Chris ein Lächeln, was ihn schlagartig all seine Gereiztheit und schlechte Laune vergessen ließ.
»Was ist jetzt mit den Filmen?« Benjamin stand plötzlich neben ihnen.
»Wir kommen«, sagte Julia.
Chris seufzte und fasste nach Julias Hand. Und als er nun die Halle durchquerte und das Feuer durch einen Windstoß durch den Kamin wütend aufflackerte, dachte er für einen Moment tatsächlich: Dieses verfluchte Unwetter hatte ihm nicht einfach so einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nein, es hatte es mit Absicht getan.
Das Untergeschoss des Hauptgebäudes war ein Labyrinth aus Fluren, Abzweigungen und Türen. Normalerweise musste man sich hier unten durch eine Menge von Studenten kämpfen, die auf dem Weg zu den Labors oder dem Computer-Department waren oder den Weg durch den Tunnel zum neuen Teil des Campus nahmen.
Nachdem Chris die Anzahl von Überwachungsbildschirmen im Securitycenter gesehen hatte, hielt er jetzt ganz automatisch Ausschau nach Videokameras. Er wunderte sich, dass sie ihm nicht früher aufgefallen waren, denn sie waren gut sichtbar in den Ecken und über den Türen montiert. Aber es war ein Scheißgefühl, sich vorzustellen, dass man ständig beobachtet wurde.
Die Beleuchtung hier unten war düster. Dazu kam die trockene Luft der Klimaanlage, die für die Belüftung sorgte. Kurz – das Untergeschoss hatte die verlockende Aura einer Gruft.
Wenigstens blieben sie hier unten von dem Tosen des Sturms verschont.
Benjamin war mit einigen anderen Studenten zusammen für das monatliche Kinoprogramm am Grace verantwortlich, er hatte auch einen Schlüssel für den Saal. Darüber hinaus besaß er ein umfangreiches privates Archiv von DVDs. Als er endlich den Schlüssel in seiner Tasche gefunden und die Tür aufgeschlossen hatte, dauerte es noch eine Weile, bis er den Lichtschalter fand.
Rose rief nervös: »Mach schon, Ben. Ich kann die Hand nicht vor den Augen sehen.«
»Ist doch lustig. So könnt ihr schon mal anfangen, euch zu gruseln.«
Im nächsten Moment erhellte grelles Neonlicht den Raum.
Der Kinosaal war ein Highlight am Grace. Noch nie hatte Chris auf so gemütlichen Kinosesseln gesessen, noch dazu mit rotem Plüsch. Und die Leinwand war riesig.
Ben rannte gut gelaunt die Stufen nach oben.
»Ich habe ein paar echt hammermäßige Filme für euch«, rief er, bevor er in dem winzigen Raum verschwand, in dem sich der Projektor befand. Ben hatte ihnen erklärt, dass das Grace für alles gerüstet war – man konnte auf dem Projektor sowohl digitale wie auch analoge Filme sehen, zudem gab es einen Beamer für DVDs und Präsentationen per Computer.
Chris schob sich in einer der mittleren Reihen auf einen Platz. Seine Füße stießen gegen eine leere Bierflasche, die nach vorne rollte.
Er zog Julia fest an sich, die fröstelnd die Arme um sich schlang. »Oh Gott, ist das kalt hier. Ich habe mich gerade wieder einigermaßen davon erholt, dass ich kurz davor gewesen war, draußen zu erfrieren.«
»Willst du meinen Pulli?«
Sie nickte dankbar. Chris zog das Sweatshirt über den Kopf und gab es ihr.
Eine Weile saßen sie schweigend da, bis Rose, die sich in die Reihe hinter Chris und Julia gesetzt hatte, rief: »Was ist jetzt, Benjamin? Wir warten.«
»Ich glaube, ich weiß, was die Wachmänner gemacht haben, während wir uns draußen den Arsch abgefroren haben«, rief Benjamin. Er stand ganz oben und hielt eine leere DVD-Hülle in die Luft. »Sie haben sich Filme angesehen.«
»Was für Filme?«, fragte Chris.
»Vermutlich Pornos, live und in Farbe und mit Dolby Surround.« Er drehte die Hülle in seinen Händen. »Wartet mal!«
Er verschwand wieder in der Kammer.
»Oh nein!«, stöhnte Rose. »Jetzt zeigt er uns irgendwelche Privat-DVDs oder irgendetwas Schweinisches.«
Und schon ging das Licht aus. Chris roch Julias Duschgel, das Shampoo ihrer Haare. Egal, wie scheißkalt es hier war. Chris wurde
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