Der Sturm
zu alt für diesen Job. Wir brauchen hier oben Leute, die in der Lage sind, so Typen wie den da . . .«, ein akkurat gefeilter Finger zeigte direkt auf Chris, ». . . in Schach zu halten.«
»Ich möchte immer noch zu gerne wissen, was Sie getrieben haben, während wir dort draußen vor der Tür standen und uns den Arsch abgefroren haben.«
»Was ich hier oben treibe, geht dich einen Scheiß an!« Wieder grinste der Wachmann ihn herausfordernd an und Chris konnte sich kaum beherrschen. Der Wachmann hatte etwas, das ihn aggressiv machte. Dieser Typ war sich einfach zu sicher und – er durchschaute ihn. Er wusste ganz genau, welche Fäden er ziehen musste, um ihn so weit zu provozieren, dass er die Beherrschung verlor.
Und fast wäre es dazu gekommen, wenn nicht ausgerechnet Debbie Chris daran gehindert hätte. Ihr starrer Blick war verschwunden.
»Jemand will mich umbringen, Chris«, sagte sie.
Chris starrte Debbie verwirrt an.
»Es stimmt wirklich«, fuhr sie fort.
Noch vor ein paar Minuten hätte Chris Debbie keine Sekunde lang geglaubt, aber jetzt sah sie so überzeugt aus, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.
Der Wachmann warf Debbie nicht einen einzigen Blick zu. »Ich sag ja, sie ist verrückt. Sie braucht einen Arzt, und sobald die Straße wieder frei ist, sorge ich dafür, dass jemand sie hier oben abholt.« Dann wandte er sich zum Gehen. »Ihr geht am besten in eure Apartments und bleibt dort. Kindermädchen spiel ich nicht noch mal. Ich habe Besseres zu tun. Und wenn ihr meint, das war’s und der Sturm hat seinen Höhepunkt erreicht, dann täuscht ihr euch.«
Sekunden später eilte er Richtung Aufzug.
Während seine Schritte verhallten, hörte Chris Debbie fragen: »Muss ich heute wirklich sterben, Rose?«
»Niemand stirbt heute!«, erwiderte Rose augenrollend und seufzte. »Deb, du hast nur einen Schock! Warum machst du auch nicht, was ich dir sage? Ich bringe dich jetzt in dein Zimmer und du legst dich hin!«
Das war definitiv ein Vorschlag, der Debbie nur noch mehr aufregte, denn nun begann sie zu kreischen: »Nein! Ich gehe nicht zurück. Nein!«
»Warum denn nicht?« Rose verlor langsam die Geduld. Aber anstelle einer Antwort wandte sich Debbie Julia zu und schrie: »Daran bist nur du schuld! Du ganz allein!«
16. Kapitel
D ebbie weigerte sich beharrlich, das Apartment überhaupt zu betreten. Ja, sie erinnerte Chris an Ike, wie der Hund sich am Morgen geweigert hatte, in Brandons Wagen zu springen. Ähnlich wie die schwarze Dogge stemmte Debbie ihre Beine in den Boden und ließ sich auch nicht von Rose’ geduldigem Zureden überzeugen. »Du bist doch nicht allein, Deb. Wir sind bei dir. Was soll dir also passieren?«
»Nein, ich gehe da nicht hinein. Er wartet dort auf mich. Hinter dem Kleiderschrank. Er hat gesagt, ich bin die Nächste.«
Chris hatte Mühe, sich der entsprechenden Kommentare zu enthalten, vor allem, wenn er Julia sah, die offenbar noch immer unter dem Eindruck der Filmszenen stand. Andererseits fühlte er sich noch immer verantwortlich für Debbies Zustand.
»Okay«, seufzte er. »Ich gehe in dein Zimmer und schaue nach dem schwarzen Mann hinter deinem Kleiderschrank, okay?«
Rose nickte ihm zu und er betrat das Apartment. Die Tür zu Debbies Zimmer stand offen. Die Luft war stickig und roch nach irgendeinem grässlichen Duft, der sich mit Ausdünstungen vermischte, die nur von Debbie kommen konnten. Auf dem Schreibtisch lag die Schale einer Banane, unter dem Bett schaute eine leere Chipstüte hervor und mehrere Tassen und Gläser mit Getränkeresten standen auf dem Fußboden. Im ganzen Raum hing ein Dunst von Essen, Schweiß und Deogestank.
Chris war noch nie hier gewesen. Warum auch. Dieses Mädchen gehörte für ihn zu einer Spezies von Menschen, die er konsequent mied. Und das lag unter anderem auch daran, dass er Hysterie hasste. Und an der Tatsache, dass Debbie – wie jetzt – jederzeit in dieses Geflenne ausbrechen konnte. Irgendwie klang es nicht natürlich, eher so, als ob eine Sirene ertönte. Es musste sich definitiv um irgendeinen Defekt, eine Fehlschaltung in ihrem Gehirn handeln. Und am liebsten hätte er genau das in diesem Moment auch gesagt, aber wenn er ehrlich war, machte ihn ihr seltsames Verhalten nervös.
Er trat zurück in den Vorraum und rief: »Hier ist nichts! Alles in Ordnung, außer dass einem bei dem Gestank in deinem Zimmer schlecht wird. Kannst du hier nicht mal aufräumen?«
Er stieg über den geöffneten Koffer,
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