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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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aus dem Unterwäsche herausquoll. Ein lachsfarbener BH, der auf dem Schreibtischstuhl lag, segelte zu Boden.
    Chris wollte gerade das Fenster hochschieben, als er innehielt. Sinnlos! Das Chaos dort draußen schien schlimmer als je zuvor. Der Campus und der Parkplatz waren vor Schnee kaum noch zu erkennen und der Lake Mirror war hinter einer weißen Wand verschwunden.
    »Mann, hört das irgendwann auch mal wieder auf?«, fragte er und wandte sich zu den anderen um.
    Debbie stand wie ein Klotz im Türrahmen und hatte immer noch diesen stumpfen Ausdruck im Gesicht, der ihn sofort wieder gereizt werden ließ.
    Chris sehnte sich nur noch nach einem: Julia zu schnappen, in sein Zimmer zu gehen und die Tür hinter sich abzuschließen.
    Dreimal.
    Hinter Debbie schoben sich Julia und Rose ins Zimmer.
    »Okay, Debbie«, sagte Chris, holte tief Luft und bemühte sich um einen netten Tonfall. »Du siehst doch, alles in Ordnung! Nichts, wovor du dich fürchten müsstest.«
    Leider hatte diese Bemerkung nicht die beruhigende Wirkung, die er sich erhofft hatte. Stattdessen ging Debbie auf ihn zu, den Zeigefinger auf ihn gerichtet und ihre Augen, vorher beängstigend starr, glänzten nun dunkel vor Wut.
    »Du«, sagte sie und stieß ihm tatsächlich den Zeigefinger in die Brust. »Du glaubst mir nicht, Christopher Bishop?«
    Dann fuhr sie herum. »Ihr alle glaubt mir nicht! Ihr denkt, ich bilde mir das alles ein, was? Denkt, ich sei hysterisch! Aber...«Ihr Arm in der Luft zitterte vor Erregung. »Ich habe Beweise, versteht ihr! Beweise!«
    Sie stieß Chris zur Seite, trat an den Schreibtisch und schnappte sich ihr Handy. »Hier! Du kannst die Nachricht lesen!«
    Chris nahm ihr das lilafarbene Samsung aus der Hand. Doch alles, was er sah, waren nur Nachrichten, die Debbie selbst verschickt hatte. Und als er las, was sie an wen geschrieben hatte, stockte ihm der Atem. Die reinste Stalkerin. Allein an Professor Hill hatte sie über zehn Nachrichten verschickt, wie toll sein Unterricht sei. Ähnliches hatte sie auch dem Französischdozenten Peter Forster sowie ihrem Philosophieprof Brandon mitgeteilt.
    »Da ist nichts«, sagte er und reichte das Handy an Julia weiter. »Du hast keine Nachrichten erhalten.«
    Auch sie zuckte nach einer Weile die Schultern. »Ehrlich, Debbie, ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
    »Zeig mal her!« Ben wollte Julia das Handy aus der Hand nehmen, doch sie zog die Hand weg. »Das ist privat!«
    »Genau deswegen will ich es ja lesen.«
    Für ein paar Sekunden stand Debbie einfach da und starrte die anderen an. Dann riss sie den Mund auf und brüllte los. Es war das schlimmste Geräusch, das Chris je im Leben gehört hatte. Er kannte es allenfalls aus Filmen, in denen irgendwelche Monster aus dem Gebüsch brachen oder aus Löchern emporstiegen.
    Und Debbie hörte nicht auf zu brüllen. Es war die totale, verrückte Raserei und sie eskalierte, als Benjamin die Kappe der Kamera löste und fragte: »Kann ich dir das Mikrofon anstecken, Debbie?«, und gleichzeitig die winzige Klammer an Debbies weit ausgeschnittenes T-Shirt heftete, sodass der Ausschnitt nach unten rutschte.
    Chris wusste nun endgültig, dass Debbie keinen BH trug.
    Debbies Hand griff nach ihrem Hals, als versuche sie, etwas abzustreifen, das ihr die Luft abschnürte. Ihr Gesicht war so rot wie die Feuerlöscher, die überall hier auf den Fluren hingen, sie ballte die Hände zu Fäusten und schrie weiter. »Ihr dürft mich nicht alleine lassen. Ihr dürft es nicht! Er hat gesagt, ich bin die Nächste.«
    Julia tastete nach Chris’ Hand und er drückte sie fest.
    Inzwischen traten Debbies Augen aus den Höhlen. Entweder dieses Mädchen würde jeden Moment der Schlag treffen oder sie würde in Ohnmacht fallen. Wobei Chris letztere Möglichkeit definitiv vorziehen würde.
    Doch nichts von beidem passierte.
    Stattdessen machte Rose dem Drama ein Ende. Sie zog Debbies Hände nach unten, die immer noch ihren Hals umklammerten. Chris rechnete damit, dass Rose Debbie eine Ohrfeige verpasste, es erschien ihm ehrlich gesagt die einzige Lösung, doch sie sagte stattdessen ruhig: »Ich verspreche es dir, Debbie, wir lassen dich nicht allein!« Dann wandte sie sich an Benjamin und befahl: »Hör sofort auf zu filmen!«
    Benjamin gab nicht so schnell auf. »Sie merkt nicht einmal, was ich hier mache, also...«
    Doch im nächsten Moment hatte Rose ihm schon die Ohrfeige verpasst, auf die Chris vorher vergeblich gewartet hatte. Dann riss sie Ben die Kamera

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