Der Sturz aus dem Fenster
wußte, daß sie sich ständig wiederholte, einfach nicht aufhören konnte. Zwischendurch ent-schuldigte sie sich bei Reed, der ihr unermüdlich versicherte, er sei doch dazu da, ihr zuzuhören. Sie hatte fast keine Worte mehr, hatte bis zur Erschöpfung geredet. Aber als sie aufbrach, sich mit den Polizeikommissaren zu treffen, die den Fall bearbeiteten, war sie entschlossener und zorniger denn je. Man hatte weder Einwände gegen Kates Anwesenheit noch gegen ihre Fragen. Die Polizisten waren Weiße und machten sich keine Illusionen darüber, was der Tod einer jungen Schwarzen, die an einer städtischen Universität studierte, für ihre nähere Umgebung und die Medien bedeutete. Instruktionen von oben geboten ihnen, Kate in alles einzuweihen.
Die wichtigsten Fakten waren schnell geklärt, wobei die Ähnlichkeit dieses Todes mit dem Fall Adams eine um so genauere Untersuchung erforderte. Arabella war durch den Sturz aus dem im zehnten Stock gelegenen Wohnzimmer ihrer Familie ums Leben gekommen. Offenbar war sie allein in der Wohnung gewesen. Man fand nur die Fingerabdrücke der Familie, ansonsten keine. Alle Mitglieder ihrer Familie waren zur fraglichen Zeit außer Haus gewesen, und die Polizei hatte ihre Aufenthaltsorte weitgehend überprüft. Alle Kommilitonen Arabellas, besonders jene, die sich mit ihr in dem Büro in der Levy Hall trafen, waren verhört worden. Die meisten hatten ein Alibi, aber keines war unerschütterlich. Adams’ Familie, seine Witwe und weitere Angehörige der Universität würden noch verhört werden. Keiner der bisher Befragten hatte die geringste Ahnung, wer Arabella hätte töten wollen – daß man ihr hingegen am liebsten gesagt hätte, sie solle den Mund nicht so voll nehmen und sich lieber um ihr Studium kümmern, konnten sich alle Befragten vorstellen. Selbstmord konnte nicht völlig ausgeschlossen werden, obwohl alle, die Arabella kannten, nicht daran glaubten. Die beiden Kommissare waren Kate gegenüber von brutaler Offenheit, besonders der jüngere.
»Wir werden keine Fäden von irgendeiner Jacke finden, keine Erdklumpen aus irgendeinem Garten und keine Zigarettenasche.
Verzeihen Sie, gnädige Frau – einen Scheiß werden wir finden. Meine Mutter guckt sich immer Angela Lansbury im Fernsehen an, aber 100
diese Sache hier ist was völlig anderes. Kein Vergleich. Diese Kri-miserienschreiber haben noch nie eine Leiche aus der Nähe gesehen.
Was die schreiben, hat mit der Realität nicht das geringste zu tun, glauben Sie mir. Wir nehmen alle an, daß ihr Tod in Verbindung mit dem vorherigen steht, aber das paßt vielleicht jemandem, der sie aus ganz anderen Gründen bis aufs Blut gehaßt hat, gut in den Kram. Ich meine, wenn ich ihr schwarzer Macker wäre und sie gäbe mir den Laufpaß, könnte ich ihr doch so wunderbar zeigen, was Sache ist und die Schuld irgendeiner schnieken weißen Institution zuschieben.
Nein – ich bin kein Rassist, ich schildere Ihnen nur die Wirklichkeit, wie ich sie sehe, und wenn Ihnen das nicht paßt, brauchen Sie es sich ja nicht anzuhören. Nehmen Sie das bitte nicht persönlich.«
Kate hatte keine Lust, sich mit den beiden zu streiten. Sie begleitete sie zu den Verhören und ins Leichenschauhaus, und sie las den Obduktionsbericht. Es gelang ihr, der Presse auszuweichen, die schon bei dem professoralen Fenstersturz eine Sensation gewittert hatte, jetzt aber, beim Tod einer jungen schwarzen »Intellektuellen«, wie sie Arabella hartnäckig nannte, Blut geleckt hatte.
Butler war so unglücklich wie Kate, aber aus anderen Gründen.
»Jetzt werden wir wieder mal schief angesehen und als Rassisten-schweine beschimpft. Eine schwarze Unruhestifterin aus dem Fenster zu werfen, sieht uns doch angeblich ähnlich. Das denken jetzt alle, darauf können Sie sich verlassen. Zehn Jahre meines Lebens würde ich dafür geben, wenn ich das Schwein zu fassen bekäme, das das getan hat, und das ist die reine Wahrheit.«
»Es liegt doch auf der Hand«, sagte Kate zu ihm, wie sie es auch schon wiederholt zu anderen gesagt hatte, »es liegt doch auf der Hand, daß Adams’ Mörder auch sie umgebracht hat. Da gibt es keinen Zweifel.«
»Wenn Sie mich fragen«, sagte Butler, »gibt es tausend Zweifel.
Mal angenommen, jemand, der etwas gegen sie hatte, war so helle, zu begreifen, daß es ein günstiger Zeitpunkt war, sie loszuwerden. Ist das so unwahrscheinlich?«
Kate schüttelte den Kopf, ohne zu erwähnen, daß auch die Polizei diese Möglichkeit nicht
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