Der Sturz - Erzählungen
Smithy doch zu Leibnitz hinunter, trat in die immer noch offene Tür des Sezierraums, von Holy war nur noch der Rumpf übrig, unglaublich, was Leibnitz leistete, plötzlich war Smithy stolz auf ihn. Leibnitz hatte weiß Gott seine Prozente verdient, er schaute ihm zu, wie Leibnitz immer wieder in der Badewanne herumrührte, in irgendeinem breiigen Schaum, dann gurgelte es, und die Badewanne leerte sich langsam. Eigentlich praktisch, Smithy wurde andächtig ob der Hinfälligkeit alles Irdischen, dann sah er die Frau wieder in der Tür stehen, wie vorhin, wieder im Kleid, das unbeschädigt war, sie mußte es doch wohl selbst ausgezogen haben. Smithy wurde verlegen, wahrscheinlich weil er sich über die Hinfälligkeit des Irdischen Gedanken gemacht hatte, aber er glaubte kaum, daß sie es bei dieser Hitze bemerkt haben konnte, die er auf einmal wieder spürte, die ihn anfiel, der Schweiß rann an ihm nieder, er kam sich ekelhaft vor. Er ging ans Telefon auf dem Fensterbrett, rief van der Seelen an, den er noch nie angerufen hatte, aber von Sam kannte er seine Nummer. Es dauerte, bis van der Seelen den 82
Anruf entgegennahm, jedesmal kam wieder ein anderer an den Apparat und sagte, van der Seelen sei nicht zu sprechen, aber als er endlich doch zu sprechen war, weil Smithy einfach immer wieder anläutete, und van der Seelen brüllte, was Smithy denn eigentlich einfalle, brüllte Smithy zurück, er verlange zwanzig Prozent mehr, sonst schließe er seinen Laden. »Gut, gut«, antwortete van der Seelen auf einmal stinkfreundlich, »zwanzig Prozent mehr.« Aber jetzt wolle er schlafen. Und dann wolle er noch Sam mit dem Cadillac, schrie Smithy. Wohin er denn kommen solle, fragte van der Seelen, immer noch stinkfreundlich. Unter die Triboro Bridge, sagte Smithy, und er möchte nicht lange warten. »Kommt, kommt«, sagte van der Seelen begütigend, und Smithy legte den Hörer auf. Inzwischen war von Holy nichts mehr zu sehen, nur das Priesterkleid, das Leibnitz als letztes zusammen mit der zinnoberroten Unterwäsche in die Badewanne warf. Smithy ging mit der Frau nach unten. Die Haustür stand noch offen. Es war immer noch nicht kühler geworden, aber es dämmerte schon, der Morgen kam wie ein Überfall, es war taghell, als Sam mit dem Cadillac vorfuhr. Smithy setzte sich neben Sam, die Frau setzte sich hinter Smithy. »Wohin?« fragte Smithy. »Ins Coburn«, sagte die Frau. Sam grinste. »Schön«, sagte Smithy,
»zum Coburn.« Sie fuhren durch die noch leeren Straßen. Die Sonne kam. Im Wagen war es angenehm kühl. Air-Conditioning. Im zweiten Rückspiegel, den noch Holy hatte anbringen lassen, als Sam ihn fuhr, weil Holy sich immer von van der Seelen verfolgt glaubte – na ja, so unrecht hatte Holy ja nicht gehabt –, beobachtete Smithy die Frau. Am Hals hatte sie blaue Flecken. Er mußte sie gewürgt haben, er erinnerte sich an nichts, aber wenigstens war er jetzt nüchtern, und morgen würde er mit diesem Kommunisten von einem Polizeichef reden, wie er mit van der Seelen geredet hatte, Smithy wurde gebraucht, das war ihm nun deutlich geworden. Dann hielt Sam vor dem Coburn, Hauptportal. Ein Hoteldiener riß die Tür des 83
Cadillacs auf, die Frau stieg aus, der Hoteldiener verbeugte sich, ein zweiter verbeugte sich vor der Tür, deren Scheiben automatisch zur Seite glitten. »Donnerwetter«, staunte Sam,
»ich hätte gewettet, die würden sie wieder auf die Straße setzen.« »Fahr mich nach Hause, Sam«, sagte Smithy, plötzlich todmüde, und als er seine Wohnung betreten hatte, warf er sich aufs Bett, ohne sich auszuziehen. Überall Büchergestelle, ein Schreibtisch im anderen Zimmer, und auch das dritte war mit Büchern vollgestopft, deutsche Bücher, Namen darauf, die ihm nichts sagten, Titel, die er nicht verstand. Was der Professor eigentlich getrieben hatte, wußte kein Mensch, er brauchte immer Stoff, und den Stoff hatte ihm Smithy geliefert, und als der Professor für den Stoff nicht mehr zahlen konnte, kam Smithy auf seine Idee, und so begann der Professor, für die gute Gesellschaft Leichen verschwinden zu lassen und für die weniger gute, und als der Professor zuviel Stoff erwischt hatte, übernahm Leibnitz die Arbeit, als Probe seiner Tüchtigkeit hatte er den Professor aufgelöst. Smithy schlief ein und schlief so tief, daß er lange nicht begriff, daß ihn das Telefon störte. Er warf einen Blick auf den Wecker, er hatte kaum zwei Stunden geschlafen. Es war der Polizeichef. Was er denn wolle, fragte
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