Der Sturz - Erzählungen
öffnete die Tür, die gegen-
über jener zum Schlafzimmer mit der Leiche lag, stieß sie auf und ging hinein. Smithy folgte ihm. Ein großer Raum, vor der 88
Fensterfront eine Terrasse, ein Schreibtisch. Nick flegelte sich in einen Riesensessel. »Setz dich, Smithy«, sagte er und wies auf einen anderen Sessel. Smithy setzte sich, es war ihm unangenehm, daß er nicht rasiert war. »Der Arzt«, begann der Glatzkopf wieder. »Es gibt Schwierigkeiten«, sagte Nick.
»Sehr wohl«, sagte der Glatzköpfige, öffnete eine Tür hinter dem Schreibtisch. »Nun, Smithy«, sagte Nick, »jetzt kommt deine große Stunde.« »Wo sind wir hier?« fragte Smithy. Nick räkelte sich in seinem Riesensessel, versank in ihm, legte die Beine auf den gepolsterten Hocker, die gespreizten Fingerspit-zen aufeinander, setzte die Daumen auf die Brust, massierte mit seinen beiden Zeigefingerkuppen die Nase und betrachtete Smithy belustigt. »Zeitunglesen ist wohl nicht deine Sache?«
sagte er. »Nein«, antwortete Smithy. »Von Politik keinen Schimmer?« Er interessiere sich nur für Eishockey, antwortete Smithy. Nick schwieg, dann meinte er, für Eishockey sei jetzt keine geeignete Jahreszeit. Überhaupt hasse er den Sommer, sagte Smithy, legte nun auch die Beine auf den Hocker vor ihm. »Außerordentliche UNO-Vollversammlung«, sagte Nick.
»Und?« fragte Smithy. »Nur so«, sagte Nick und schwieg wieder. Die Tür hinter dem Schreibtisch öffnete sich, den Mann erkannte Smithy sofort, das heißt, er wußte zwar nicht, wer der Mann war, aber er hatte ihn schon oft im Fernsehen gesehen. Smithy dachte nach, er kam nicht darauf, jedenfalls mußte der Mann in seinem eleganten Pyjama irgend jemand aus Europa sein, irgendein Regierungschef oder Ministerpräsident oder Außenminister oder sonst irgend jemand Wichtiges, enorm berühmt, ein Mann, der Smithy nur flüchtig mit einem Blick streifte, als ob Smithy überhaupt niemand wäre, so gleichgültig, wie ihn die Frau diese Nacht betrachtet hatte, aber nicht so aufmerksam, sondern überhaupt nicht, mit einem Blick, der Smithy plötzlich in Wut versetzte, ohne daß Smithy diese Wut erklären konnte, aber er preßte nun auch die Finger-spitzen aufeinander, nahm auf einmal die Haltung ein, die Nick 89
in seinem Riesensessel eingenommen hatte, bevor der Mann erschienen war, dieser Mann, der so gelassen, so erhaben war, wie der liebe Gott persönlich, für den Smithy eben bloß eine Laus darstellte, noch weniger, eine Laus war Smithy ja schon für Nick, aber Smithy wußte nicht, was noch weniger als eine Laus war, was er doch für den lieben Gott darstellen mußte.
»Schwierigkeiten?« fragte der Himmelsvater Nick, der sich erhoben hatte. »Schwierigkeiten, der Mann macht Schwierigkeiten.« »Der da?« fragte der Herr-o-mein-Gott in seinem weinroten Schlafanzug, ohne einen zweiten Blick auf Smithy zu werfen. »Der da«, sagte Nick, die Hände in den Hosenta-schen. »Was will er denn?« fragte der Herr der Heerscharen.
Smithy hatte sich all die Gottesnamen unwillkürlich gemerkt, die Holy zu zitieren pflegte, sie schössen nun aus seinem Gedächtnis, aber er unterdrückte den Wunsch, den Herrgott zu fragen, ob er denn Dänisch könne. »Weiß nicht«, sagte Nick.
Der Herr des Himmels und der Erden setzte sich hinter den Schreibtisch, spielte mit einem goldenen Kugelschreiber.
»Nun?« fragte er. »Wer ist die Leiche?« fragte Smithy. Jahwe schwieg, spielte weiter mit dem goldenen Kugelschreiber, blickte erstaunt zu Nick hinüber, der hinter dem Sessel stand, in dem er vorher gesessen hatte. Nick wandte sich Smithy zu, verblüfft, aber dann plötzlich belustigt, als sei ihm ein Licht aufgegangen. »Ihre Tochter?« fragte Smithy. Der Herr Zebaoth legte den goldenen Kugelschreiber auf den Schreibtisch zu-rück, nahm aus einer grünen Schachtel eine gedrungene, flache Zigarette, zündete sie mit einem goldenen Feuerzeug an.
»Wozu diese Fragen?« sagte er, Smithy immer noch keinen Blick schenkend. »Ich muß wissen, ob ich die Leiche verschwinden lassen will«, sagte Smithy. »Nennen Sie Ihren Preis, dann wissen Sie es«, antwortete Jehova gelangweilt. Smithy blieb hartnäckig. Er könne den Preis erst nennen, wenn er wisse, wer die Leiche sei, behauptete er, durchaus zur Erheite-rung Nicks, wie Smithy spürte, und nun blickte ihn Gott der 90
Allmächtige zum erstenmal wirklich an, nahm endgültig Notiz von ihm, einen Moment ärgerlich, ja zornig, als wolle er Smithy im nächsten Augenblick mit
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