Der Sucher (German Edition)
wusch mir Matsch, Staub und Gestank ab, dann kehrte ich zurück zu unseren Gastgebern. Die warteten, wie sich herausstellte, schon ungeduldig auf mich, weil Terryl uns eine Besichtigung Kowandas angeboten hatte und gleich losziehen wollte.
Auf dem Weg zu Terryls Lager begegneten wir Beltran, Terryls Rivalen, der uns am Vortag in seinem Garten ertappt hatte. Er musterte uns mit zusammengekniffenen Augen. Nach einem kurzen Wortwechsel mit seinem Gildenbruder wandte sich Beltran direkt an mich: »Wie heißt du eigentlich, Junge?«
Am liebsten hätte ich ihm irgendeinen falschen Namen genannt. Aber das ging nicht, weil ich so dumm gewesen war, Terryl und seiner Familie zu sagen, wie ich wirklich hieß. Ich konnte, während er dabei war, nicht gut etwas anderes behaupten. Als Agent hatte ich wirklich noch einiges zu lernen!
Beltran nickte nur kurz, nachdem ich ihm geantwortet hatte, und ging davon. Verständnislos blickten wir ihm nach, und es war mir nicht ganz geheuer, was da eben passiert war. Er hatte nur mich gefragt, nicht meine Freunde. Wozu brauchte er ausgerechnet meinen Namen? Wir mussten so schnell wie möglich von hier verschwinden!
Terryl steckte zwar bis zum Hals in illegalen Geschäften, aber offiziell handelte er mit Stoffen. Stolz zeigte er uns sein Lager mit riesigen Ballen edler, schimmernder und in farbenprächtigen Mustern gewebter Stoffe. Zu meiner Überraschung wurde es nicht bewacht. Er lachte, als ich ihn darauf ansprach.
»Niemand wäre so dumm, in Kowanda etwas zu stehlen«, sagte er, und ich konnte mir denken, warum.
In dieser Stadt, in der jeder bewaffnet war, kam es wahrscheinlich Selbstmord gleich, sich im Lager eines Gildenbruders zu bedienen. Und Fremde gab es außer uns anscheinend nicht.
An den Rest der Besichtigung erinnere ich mich kaum. Ich blieb die ganze Zeit über an Joelles Seite und hielt ihre Hand. Ich sehnte mich danach, sie zu umarmen, ihr Haar zu küssen, den ganzen Tag lang mit ihr zu reden und dann die Nacht mit ihr zu verbringen. Doch ich befürchtete, dass dies vorerst schöne Visionen bleiben mussten.
»Wir sollten bald mal ernsthaft über Geschäfte sprechen«, meinte Terryl und legte mir väterlich den Arm um die Schulter. »Wie wäre es mit gleich morgen?«
»Mal sehen«, versuchte ich auszuweichen.
»Morgen Nachmittag«, beharrte er. »Du wirst sehen, es wird nicht zu deinem Schaden sein.«
Mir wurde klar, dass ich noch weniger Zeit hatte als gedacht. Wenn ich die Schale morgen nicht ausgrub, musste ich sie aufgeben. Ich konnte mir nicht vorstellen, meinen Ska in die Gefangenschaft zu verkaufen ... Und sobald Terryl das endgültig klar wurde, steckten wir in ernsten Schwierigkeiten.
* * *
Irgendwie war es passiert. Spinnenfinger hatte Verdacht geschöpft, dass sich ein Spion in seinem Umfeld befand. Er sprach weniger über seine Pläne, schien misstrauischer. Wenn er sich mit den anderen Schwarzen Kutten unterhielt, war seine Stimme oft so leise, dass selbst Mi‘raela nichts mehr verstand, erst recht nicht durch die dicke Tür.
Mi‘raela wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis ihr Herr zumindest darüber nachdachte, ob nicht die Halbmenschen hinter Jinis kleinen Siegen steckten. Er musste nur eindringlich genug mit Tombo reden. Wenn dessen Angst vor Spinnenfinger größer war als davor, ein Fell zu bekommen, würde er reden.
An einem Morgen rief Spinnenfinger Mi‘raela in sein Gemach. Aber nicht, um ihr einen Befehl zu erteilen. Als Mi‘raela das merkte, begann ihre Schwanzspitze nervös zu zucken. Sie ärgerte sich darüber, konnte es aber nicht verhindern.
Immerhin schien Spinnenfinger nicht wütend, und sein Blick war nicht eisig wie sonst oft. Im Gegenteil, er lächelte sogar. Das verwirrte Mi‘raela sehr.
»Katze«, sprach er sanft. »Du dienst mir schon lange, seit vielen Wintern. Ich habe dich nicht immer gut behandelt. Es ist schwer, freundlich zu sein, wenn die Zukunft Dareshs auf dem Spiel steht.«
Mi‘raela war so verblüfft, dass sie überhaupt nicht reagierte. Sie saß so still wie auf der Jagd nach Wühlern, bewegte nicht mal eine Ohrenspitze.
»Ich habe darüber nachgedacht, wie ich dich belohnen kann«, fuhr Spinnenfinger fort und lächelte wieder. »Vielleicht schenke ich dir sogar die Freiheit. Wie würde dir das gefallen?«
Freiheit! Vielleicht schon bald! Mi‘raela wurde schwindelig bei der Vorstellung. Sie wusste, dass es tatsächlich vorkam, dass Halbmenschen freigelassen wurde. Meist wegen besonderer
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