Der Sucher (German Edition)
der beiden Luft-Gilden-Männer gerade selbstzufrieden.
»Ja, prächtig«, bestätigte der andere mit höflicher, aber leicht verkniffener Stimme. Er war ein schmächtiger Mann mit Resten von braunen Locken und einem Bauchansatz. Ich hatte selten jemanden gesehen, der so prächtig gekleidet war – er trug einen knöchellangen Mantel aus schimmerndem, rotem Stoff, der mit Goldfäden in exotischen Mustern bestickt war.
»... und das hier ist mein Steppenbussard«, fuhr der andere fort. »Ist er nicht herrlich? Ich glaube nicht, dass irgendjemand ein Tier hat, das an seine Spannweite heranreichen kann. Dein Gelbfederhabicht ist, wenn ich mich nicht irre, ein ganzes Stück kleiner, nicht wahr, lieber Terryl?«
»Er ist noch nicht ausgewachsen«, entgegnete der schmächtige Mann spitz.
Unterwürfig warteten die Wachen, bis die beiden ausgeredet hatten und sich dazu herabließen, uns zu bemerken. Dann wandten sie sich an den schmächtigen, braun gelockten Mann. »Meister Terryl, das hier sind die jungen Leute, die nach Euch gefragt haben ...«
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterten uns die beiden Männer. Dann hob Terryl langsam die Armbrust, zielte sorgfältig auf mich und krümmte den Finger um den Abzug.
In diesem Moment hätte ich kein Ruma auf mein Leben gewettet. Dabei kapierte ich noch nicht mal, was hier vorging. Ebenso wenig wie Joelle und Merwyn, die wie erstarrt neben mir standen.
Doch es gab jemanden, den nicht scherte, was hier vorging. Der mich einfach nur verteidigen wollte. Hinter den beiden Männern glitt mein Skagarok mit lautlosen Flügelschlägen aus der Dunkelheit – die großen, dunklen Schwingen ausgebreitet, die Krallen nach vorne gestreckt. Die Pfadfinder bemerkten ihn zuerst. Kreischend vor Angst duckten sie sich, und ihre Herren wirbelten verwirrt herum. Einen Wimpernschlag später erreichte sie der Ska ... schlug einmal kurz mit den Flügeln ... und flog über sie hinweg.
Er landete auf einem meiner Arme und gurrte mir liebevoll ins Ohr.
»Du dummes Vieh, wolltest du nicht eigentlich angreifen?«, murmelte ich verkrampft und rechnete jeden Moment mit den sengenden Schmerzen eines Armbrust-Bolzens. Besagtes Vieh nahm mir die Beleidigung nicht übel und leckte mir mit seiner feuchten, warmen Wolfszunge über die Wange.
Wie durch ein Wunder hatte Terryl die Waffe gesenkt, statt den Ska und mich einfach zu erschießen. Sprachlos, mit großen Augen, betrachteten die beiden Luft-Gilden-Menschen den riesigen Raubvogel. Schließlich fand der eine Händler seine Stimme wieder. »Beim Nordwind, ein ... ein ... Moment, gleich hab ich‘s ... ein Skagarok! Ich wusste nicht, dass die sich zähmen lassen. Gehört er dir, Junge?«
»Nein«, antwortete ich. »Er gehört mir nicht – er ist mein Freund.« Ich brauchte all meine Kraft, um den Arm unter dem Gewicht dieses Freundes nicht nach unten sinken zu lassen. Außerdem musste ich die Zähne zusammenbeißen, weil sich ohne den Lederhandschuh, auf dem ich ihn normalerweise landen ließ, seine Krallen durch meine Tunika und Haut bohrten. Blut begann, durch den Stoff zu sickern. Aber ich schaffte es, mir nichts anmerken zu lassen.
Während er den Ska musterte, breitete sich auf Meister Terryls Gesicht ein Grinsen aus. Er zwinkerte mir zu, legte sich die Armbrust kurzerhand wieder über die Schulter und wandte sich an seinen Kollegen.
»Ein prächtiges Tier, und gut doppelt so groß wie dein Bussard, Beltran, meinst du nicht?«
Nun war es an dem zweiten Händler, verkniffen dreinzublicken. »Mag schon sein«, räumte er mürrisch ein.
Jetzt endlich kapierte ich, dass es eine Art Scherz gewesen war, dass Terryl auf mich gezielt hatte. Anscheinend besaßen die Menschen in Kowanda eine ganz eigene Art von Humor! Aber was beklagte ich mich eigentlich – auch wir Wasser-Leute waren in dieser Hinsicht nicht als zimperlich bekannt.
Mit leicht schwankender Stimme richtete ich schöne Grüße von der Verwandtschaft in Ekaterin aus. Terryl nickte gut gelaunt, dann nahm er uns mit zu seinem zwei Straßen entfernten Haus. Es war kunstvoll aus blauen Gräsern geflochten und hatte die Form einer Wolke.
Dort lernten wir Terryls Frau Mei kennen, die in kostbaren blauen Samt gekleidet war und dazu eine Menge schweren Goldschmuck trug. Sie schien entsetzt über die unerwarteten Gäste aus einer anderen Gilde – im Gegensatz zu ihrer fröhlichen siebenjährigen Tochter Kensy, die überhaupt nichts gegen Wasserleute hatte und den Ska sofort entzückt
Weitere Kostenlose Bücher