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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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zu schmuggelte jemand mir, während ich bei den Verhören war, ein paar Romnicca-Nüsse, eine Coruba-Frucht oder ein Fläschchen Heiltrank in die Zelle. Hoffentlich versuchten die beiden weiterhin, bei der Regentin ein gutes Wort für mich einzulegen.
    Ich hatte enormes Glück, dass sich die Wunde an meiner Hand nicht entzündete. Aber mit der Unauffälligkeit, die ich als Agent brauchte, war es nicht mehr weit her: Den Rest meines Lebens würde ich daran zu erkennen sein, dass mir der linke Ringfinger fehlte. Als ich hörte, dass Cyprio bald von seiner Reise zurückkommen würde, spürte ich, wie sich die Angst durch meinen ganzen Körper fraß. Was würden sie als nächstes mit mir anstellen?
    Ich versuchte, mich mit kleinen Dingen abzulenken. Viel zu essen bekamen ich und die anderen Gefangenen nicht, es reichte gerade, um nicht zu verhungern. Trotzig benutzte ich die flache silberne Schale, die wahrscheinlich unermesslich wertvoll war, um daraus zu essen. Manchmal hielt ich sie zwischen zwei Verhören in den Handflächen und versuchte zu raten, was sie für eine Bedeutung hatte, worin ihre Magie bestand. Ja, die Wächter hatten Recht, so zerbeult und schwarz angelaufen war sie ganz schön hässlich ...
    Moment mal. Was war das? Zwischen dem schwarzen Belag glänzte es. Was war das denn? Ich kroch näher zur Öffnung in der Zellentür, hielt die Schale ins schwache Licht. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. Die unputzbare Schale hatte auf einmal Flecken aus schimmerndem Silber. Dort war das Metall glatt, wie neu. Aufgeregt rieb ich mit dem Ärmel meiner Tunika an der Schale herum. Ohne Erfolg. Und dann kamen sie auch schon, um mich zu holen, um mir die ewig gleichen Fragen zu stellen. Schnell versteckte ich die Schale wieder unter dem Stroh.
    Als ich zurückkehrte, hatte ich eine Wunde am Kopf. Sie war nicht tief, aber das Blut rann warm und klebrig über mein Gesicht. Ich presste ein halbwegs sauberes Stück Stoff auf die Verletzung und holte ungeduldig die Schale hervor. Mir schien, dass sich auch das »T« in der Mitte ganz leicht verändert hatte ...
    Ein, zwei Tropfen Blut fielen auf die Schale. Mir stockte der Atem, als ich sah, wie an diesen Stellen schimmernd das Silber hervorkam. Nun konnte ich auch spüren, wie die Schale zum Leben erwachte. Vorsichtig berührte ich eine der blanken Stellen und fühlte ein eigenartiges Vibrieren an den Fingerspitzen ...
    Ein Schauder durchlief mich. Instinktiv ließ ich die Schale fallen, schob sie von mir.
    In diesem Moment hörte ich ein vertrautes Schlurfen im Gang – der alte Wachmann, der das Essen verteilte, machte seine Runde. Er war kein schlechter Kerl. Einmal, als er gesehen hatte, in welchem Zustand sie mich zurückbrachten, hatte er mitleidvoll den Kopf geschüttelt.
    Diesmal hörte ich schon an den Geräuschen der klappernden Essschalen, dass es irgendeine wässrige Suppe gab. Verdammt! Auf gar keinen Fall würde ich jetzt aus dieser Schale essen. Dafür war mir dieses Ding viel zu unheimlich. Außerdem war klar, was passieren würde, wenn eine Wache das Schimmern sähe. Sie würden mir die Schale sofort abnehmen und zu ihrem Offizier bringen. Der würde sie dann der Regentin zeigen – oder, was wahrscheinlicher und viel schlimmer war, Cyprio und Nemur. Also winkte ich ab. Auch wenn mein Magen knurrte und der alte Mann verblüfft »Hungerstreik, oder was?« murmelte.
    »Wahrscheinlich habt ihr sowieso nur ein paar Knochen vom Abfallhaufen geholt und ausgekocht ...«
    »Du musst was essen, Junge. Sonst überlebst du hier nicht lange.«
    Seine Freundlichkeit tat gut. Trotzdem antwortete ich nicht.
    »Wie du willst, Sturkopf ...«, meinte er und schlurfte weiter.
    Ich war froh, als er weg war. Aus sicherer Entfernung betrachtete ich die Schale. Was war das für ein Ding, für das ich ganz Daresh durchquert hatte? Das ich so nah am Körper getragen hatte, dass ich das kalte Metall auf der Haut gespürt hatte? Soviel stand fest – was immer dies sein mochte, weiße Magie war es nicht. Nicht, wenn Blut im Spiel war.
    Besser, ich wurde das Ding so schnell wie möglich los. Vielleicht wusste ein Meister vierten Grades, wie man mit so etwas umging. Das Problem war nur, dass es nicht so aussah, als würde ich demnächst einen treffen. Und ich konnte die Schale nicht einfach irgendjemandem in die Hand drücken und ihm sagen, er solle sie so schnell wie möglich zum Hohen Rat meiner Gilde bringen.
    In dieser Nacht war der Hunger fast so schlimm wie die Schmerzen.

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