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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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nicht so schlimm. An einem Tag schaffte ich es, bei einem der heimlichen Besuche an meiner Zellentür aufzustehen und mich zur Tür zu schleppen. Ich blickte durch die Öffnung in der Zellentür – und fuhr zurück, als ich Fangzähne im schwachen Licht blitzen sah und meine Finger eine pelzige Pfotenhand berührten.
    Ein Iltismensch!
    »Hast du es nicht gewusst? Was hast du gedacht?«, flüsterte er durch die Öffnung. »Wir vergessen dich nicht, Jederfreund. Niemals. Halt durch!«
    »Woher kennt ihr mich überhaupt?«, entgegnete ich.
    »Im Seenland erzählt man sich eine Geschichte über einen Jungen, der von einem großen Vogel begleitet wird. Einen Jungen namens Jederfreund, der einem Bruder geholfen hat, als er dem Tode nah war. Noch mehr Geschichten gibt es über Jederfreund, o ja! Und dann kamst du hierher. Du hast die Quelle berührt, uns befreit. Es war nicht deine Schuld, dass es nicht geklappt hat, dass sie uns zurückgezwungen haben.«
    Jederfreund. Es berührte mich tief, diesen Namen wieder zu hören.
    »Und jetzt verstehst du unsere Sprache. Wir vergessen dich niemals!«
    Ich hörte ihn hastig weghuschen, als eine Wache sich näherte. Langsam ließ ich mich auf den Boden nieder, lehnte mich an die Wand und ließ den Kopf gegen den kühlen Stein zurücksinken. Ja, sie hatten mich beobachtet. Schon seit langer Zeit. So wie ich sie. Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie sich Geschichten über mich erzählten. Der Iltismensch auf der Lichtung, den ich nach den Miramaos befragt hatte! Als er mich mit dem Ska zusammen gesehen hatte, hatte er mich erkannt. Mi‘raela, die Katzenfrau – auch sie hatte vermutlich gewusst, wer ich war.
    Aber was meinte der Iltis damit, dass ich jetzt seine Sprache verstand? Er sprach doch selbst perfekt Daresi, ohne jeden Akzent ...
    An diesem Tag spürte ich wieder dieses eigenartige Gefühl, das ich schon vor ein paar Tagen gehabt hatte: dass jemand bei mir in der Zelle war, jemand, der mir freundlich gesinnt war, der wollte, dass es mir gut ging. Ich kam mir völlig verrückt vor, als ich diesen Gedanken nachspürte und festzustellen versuchte, woher sie kamen. Auf Händen und Knien kroch ich zu einer Ecke der Zelle. Vor mir hockte ein Schneehörnchen mitten im Fellwechsel und blickte mich verschlafen an. Auf einmal wusste ich, dass es hier unten in den kühlen, dunklen Kerkern seinen Sommerschlaf gehalten hatte, dass ich es aufgeweckt hatte. Mir tat das Leid, aber ihm gar nicht, es war froh, mich kennenzulernen und interessierte sich nur noch mehr für die Frage, wo es in dieser falschen Jahreszeit etwas Fressbares herbekommen könnte.
    »Gilias Gnade«, sagte ich schwach und ließ mich gegen eine Wand zurücksinken. »Ich kann hören, was du denkst!«
    Ja, das wusste er. Seit ich die Quelle berührt hatte.
    Die Kraft war verebbt ... in mich hineingeflossen ...
    Ich spürte, wie meine Augen feucht wurden. Zum ersten Mal, seit ich hier unten war. Ich hatte die Quelle berührt, und wahrscheinlich hatte das mein Leben ruiniert, aber dieser eigenartige Stein hatte mir auch ein Geschenk gemacht. Ein sehr, sehr wertvolles Geschenk.
    Das Schneehörnchen hüpfte auf mich zu und kuschelte sich an mich, warm und weich unter meiner Hand, und ich spürte, dass es gerne meine Tränen getrocknet hätte, wenn es gewusst hätte, wie.
    * * *
     
    Es war eine bedrückte Versammlung, die sich in den Tiefen der Burg traf. Auch Mi‘raela war entmutigt. Zwar hatte die Bolgspinne ihr wider Erwarten den Schlüssel gebracht, und die Halbmenschen aus allen Teilen der Burg hatten sich auf ihren Warngesang hin hastig zusammengefunden.
    Doch da war es bereits zu spät gewesen. Und nun saß Jederfreund im Kerker, und kein einziger Bruder hatte die Flucht aus der Burg geschafft.
    »Es geht ihm schlecht, sehr schlecht«, berichtete Cchrando, ein junger Iltismensch. Er fühlte sich schuldig, weil er Jederfreund beim Zugang zur Quelle geholfen und nicht gewusst hatte, dass damit die Falle zuschnappen würde. »Befreien müssen wir ihn, so schnell es geht! Es ist eine Schande, eine Schande.«
    »Wir könnten versuchen, den Zellenschlüssel zu stehlen, solange die Quelle noch geschwächt ist«, schlug ein zweiter Iltismensch vor und ließ seine Fangzähne aufblitzen.
    »Ich glaube nicht, dass das eine vielgute Idee ist. Die Quelle ist längst wieder zu stark«, wandte Mi‘raela ein.
    »Wir könnten die Dörflinge ablenken, wenn sie ihn zum Verhör holen, zum Verhör. Und ihm dann einen Fluchtweg zeigen.

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