Der Sucher (German Edition)
Drei unserer Tunnel sind offen und bereit. Ich weiß allerdings nicht, ob er durchpasst, einer davon gehört den Natternmenschen.«
»Es müssen ja keine Tunnel sein. Wenn die Störche helfen, können wir ihn auch von einem der oberen Fenster zum Boden bringen, zum Boden.«
»Kann Nachtmädchen irgendetwas tun?«, wandte sich Cchrnoyo an Mir‘raela. »Sie ist schließlich mit der Regentin vertraut!«
Sie diskutierten die halbe Nacht hindurch, wie sie helfen könnten. Aber es gab verzweifelnd wenige Möglichkeiten, da die Quelle wieder wirkte und sie daran hinderte, die Menschen in der Burg anzugreifen oder gegen die Regeln zu verstoßen.
Schließlich beschlossen sie, auf eine günstige Gelegenheit zu lauern und sie sofort zu ergreifen, wenn sie sich böte.
Auf dem Rückweg zu ihren Herren traf sich Mi‘raela mit Jini. Das ging nur noch spät in der Nacht und unter höchsten Vorsichtsmaßnahmen, denn die Menschenwelpin wurde strenger überwacht denn je. Nur, weil Mi‘raela Spinnenfingers Leute und ihre Gewohnheiten genau kannte, gelang es ihr, den Spähern immer mal wieder ein Schnippchen zu schlagen. Diesmal quetschten sie sich in die dunkelste Ecke eines Waschkellers, während Jinis Überwacher anderswo in halb getrocknete Laken verheddert vor sich hinfluchten.
Auch Mi‘raelas menschliche Freundin war entsetzt über das, was Jederfreund geschehen war. »Ich mag gar nicht daran denken, was sie jetzt mit ihm machen«, meinte sie. »Warum ist er bloß dieses Risiko eingegangen?«
»Wenn ein Mensch von der Quelle angezogen wird, dann folgt er dem Ruf fast immer«, sagte Mi‘raela traurig. »Das ist gewiss wie der Lauf des Flusses oder wie der Aufgang der Sonne jeden Morgen.«
»Meinst du, ich kann ihm irgendwie helfen? Ich habe die Regentin schon um Gnade für ihn gebeten, aber sie hat mir gar nicht richtig zugehört. Cyprio hat ihr eingeredet, dass Tjeri ein gefährlicher Verräter ist – das ist doch Blödsinn.« Jini seufzte. »Jetzt erfahre ich wahrscheinlich nie, was mein Gedächtnis blockiert und was ich erlebt habe. Ohne Tjeri nützen mir die Kräuter nichts, Staubflocke! Und meine Schwester wird vielleicht niemals erfahren, dass ich hier bin. Ich weiß ja auch nicht, wo sie ist. Meinst du, ich kriege trotzdem etwas über meine Familie raus?«
»Vielleicht schafft es Jederfreund, freizukommen, vielleicht, und dann wird alles gut«, meinte Mi‘raela, und plötzlich fand sie den Mut, einfach zu sagen: »Und übrigens ist mein Name nicht Staubflocke. Meine Brüder nennen mich Mi‘raela.«
Verlegen blickte Jini sie an. »Verzeih mir. Ich werde dich nie wieder bei diesem blöden Spitznamen nennen.« Dann vergrub sie den Kopf zwischen ihren Armen, und ihre Tränen tropften auf den Tisch wie kühler Herbstregen.
* * *
Es waren verschiedene Halbmenschen, die mich besuchen kamen. Meist waren es Iltisse, aber auch die alte Katzenfrau und ein sehr alter Krötenmensch waren dabei.
Ich mochte sie alle, aber die tiefste Freundschaft schloss ich mit Mi‘raela und mit dem jungen Iltismenschen, der am ersten Tag gekommen war. Seine Stimme, seine Worte werde ich nie vergessen. Sein Name war Cchrando, seit fünf Wintern war er in der Burg versklavt – er stammte aus dem Westen von Alaak und war bei einer Jagd Farak-Alit ins Netz gelaufen. Sobald sie ihn in die Burg gebracht hatten, ins Kraftfeld der Quelle , war er gezwungen gewesen, der Regentin zu dienen. Er wusste, wie es ist, gefangen zu sein. Praktisch für mich war, dass er die Burg in- und auswendig kannte und viel mitbekam.
»Hast du eine Ahnung, wie lange sie mich hierbehalten wollten?«, fragte ich ihn.
Er zögerte mit der Antwort, und da wusste ich, dass er schlechte Nachrichten hatte. »Lange Zeit, Bruder, lange. Aber wir suchen nach Fluchtwegen, wir suchen.«
»Wissen meine Gildenbrüder schon, wo ich bin, was geschehen ist?«
»Nein, aber wir bringen ihnen Nachricht, das tun wir, großviel Angst werden sie um dich haben. Besonders Kleine Welle und Lilienmann.«
Ich hatte die Namen nie gehört, konnte mir aber denken, wer gemeint war. Erleichtert dankte ich Cchrando. Joelle und Merwyn würden den Schreck ihres Lebens bekommen, wenn ein Iltismensch sie ansprach, aber dann wussten sie wenigstens, was mit mir passiert war. Bestimmt würden sie dem Rat Bescheid geben, vielleicht bekam der mich frei.
Ich wartete den ganzen Tag auf die kurzen Momente mit den Halbmenschen. Auch Janor und Ynea schienen mich nicht vergessen zu haben, denn ab und
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