Der Sucher (German Edition)
aber die neue wird es sicher!«
In diesem Moment kam eine Wache in den Gang, und der Iltismensch flitzte lautlos davon. Entsetzt sah ich ihm nach. O nein! Meine Freunde konnten ja nicht wissen, was zwischen mir und Hetta vorgefallen war – ich hatte es niemandem erzählt. Sie ahnten nicht, dass die neue Regentin, die ganz sicher Hetta heißen würde, mich vermutlich mit Vergnügen in alle Ewigkeit hierbehalten würde.
Lautlos rief ich nach dem Schneehörnchen, tastete nach seinen Gedanken. Zum Glück gelang es mir, ihm eine Nachricht für die Halbmenschen mitzugeben.
Es kam keine Antwort, und am nächsten Tag besuchte mich Cchrando nicht. Hatte die Nachricht ihn und meine Freunde erreicht? Konnten sie den Plan noch ändern?
Unruhig wartete ich. Zwei Tage lang geschah nichts. Dann flog plötzlich die Tür meiner Zelle auf, zwei Wachen fesselten meine Hände und schoben mich nach draußen. War Hetta Regentin? Wollte sie noch einen letzten Blick auf mich werfen und mich dann genüsslich hinrichten lassen?
Grimmig schweigend brachten die Wachen mich nach oben, in höhere Ebenen der Burg. Ich hielt Augen und Ohren offen, versuchte herauszukriegen, was geschehen war.
An den violetten Trauerflaggen, die an den Wänden hingen, wurde mir schnell klar, dass Daresh tatsächlich seine Herrscherin verloren hatte. Aber statt in Trauer zu versinken, war die ganze Burg in Aufruhr. Wir kamen an einigen Würdenträgern und Dienern vorbei, ich fing ein paar interessante Wortfetzen auf.
»... wenn er damit durchkommt ...«
»... was ist mit Waffen, wie viele Unterstützer können wir damit ausrüsten?«
»... er sich auf die alten Gesetze berufen hat, verstehe ich nicht ...«
Nach und nach reimte ich mir zusammen, was passiert sein konnte. Mal schauen, ob ich Recht hatte.
»Jetzt mal ganz ehrlich«, sagte ich zu den Wachen. »Auf wen würdet ihr setzen, auf Janor oder das Mädchen?«
Verblüfft glotzten sie mich an.
»Das ist keine Wette wert«, meinte der eine schließlich. »Er wird sich nicht länger halten können als ein oder zwei Tage. Vielleicht hat er den Verstand verloren, die Leute sagen, er war schon immer ein komischer Kauz.«
Sie brachten mich in einen kleinen Raum in der Nähe des Audienzsaals, so nah an der Quelle , dass ich ihre Macht spüren konnte. Weil die beiden Männer dablieben, um mich zu bewachen, konnte ich fragen: »Was hat Janor eigentlich genau gemacht?«
Sie blickten sich an, waren sich nicht sicher, ob sie mit mir reden durften. Offenbar entschieden sie, dass so etwas zurzeit wahrscheinlich sowieso niemanden interessierte. »Er hat den Anspruch des Mädchens angefochten. Sagt, sie habe nicht das Recht, Herrscherin zu werden.«
Ich verstand gar nichts mehr. »Das klingt ziemlich blödsinnig. Hat die alte Regentin sie nicht zur Nachfolgerin ernannt, nachdem Jini aus der Burg geflohen ist? Und wozu genau solltet ihr mich hier hochbringen?«
Die Tür ging auf. Die Wachen erstarrten, als sie sahen, wer hereinkam.
Es war Janor. Er trug ein formelles Gewand und war sehr blass. »Nehmt ihm die Fesseln ab«, befahl er. »Und dann lasst mich allein mit ihm reden.« Die Wachen gehorchten schweigend.
Ich freute mich, endlich ein vertrautes Gesicht zu sehen. Aber ich war auch auf der Hut. Was hatte er jetzt, nach so langer Zeit, zu sagen?
Wir setzen uns auf eine schmale Bank, das einzige Möbelstück des Raumes. Mir fiel auf, dass er sich verändert hatte. Er bewegte sich anders, nicht mehr so linkisch.
Janor stützte den Kopf in die Hände. Er wirkte sehr erschöpft, fast mehr als ich. Kein Wunder – erst war seine Mutter gestorben, und jetzt das, dieser verrückte Versuch, die Macht zu übernehmen. Was wohl dahintersteckte?
»Ich konnte nicht damit leben«, begann er plötzlich. »Mit dem, was du gesagt hast dort unten im Kerker. Vielleicht hast du dich gewundert, wieso ich danach nicht mehr gekommen bin ...«
»Ja, allerdings.«
»Eine Zeit lang wäre mir lieber gewesen, du wärst tot. Ich wollte dir nicht in die Augen sehen müssen. Weißt du, wie das ist, wenn man sich schämt?« Er atmete schwer. »Es tut mir Leid, Tjeri. Ich hätte dich nie gegen deinen Willen in die Burg holen dürfen. Ich hätte rechtzeitig merken müssen, dass du die Quelle spüren konntest. Und ich hätte es irgendwie hinbekommen müssen, dich aus dem Kerker zu befreien.«
Ich kriegte den Mund kaum noch zu.
»Du hast mein Leben gerettet, damals beim Herrn der Quallen«, fuhr er fort. »Jetzt versuche ich, deines zu
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