Der Sucher (German Edition)
retten. Ich habe Hettas Regentschaft nur angefochten, damit ich einen Tag lang regieren und dir die Freiheit geben kann. Aber es ist ein riskantes Spiel. Wenn irgendetwas schief geht, sind wir beide tot, Tjeri. Dafür werden sie und Nemur sorgen.«
Irgendwie schaffte ich es wieder, etwas zu sagen. »Ich dachte, du wärst ein Feigling. Aber ich habe mich geirrt.«
»Nein«, widersprach er und lächelte flüchtig. »Damals hattest du Recht. Aber jetzt ... ich habe Angst, und ich tue es trotzdem, und irgendwie fühle ich mich gut deswegen – weißt du, was ich meine?«
»Ja«, sagte ich still. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst.«
Er reichte mir kurz die Hand, stand auf und ging hinaus. In meiner Handfläche lag ein winziges Objekt, rund und fest. Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass es die Schwarze Perle war.
Es hatte die Wachen offensichtlich beeindruckt, dass ich Janors Gunst hatte. Ich konnte sie ohne Probleme überreden, mich in die Baderäume zu bringen und mir frische Sachen zu besorgen. Herrlich, endlich wieder sauber zu sein. Doch kaum war ich wieder in der Kammer, kehrten die Sorgen zurück.
Durch einen Spalt in der Tür konnte ich alles beobachten, was im Thronsaal geschah, und die Wachen versuchten nicht, mich daran zu hindern. Der Saal war gestopft voll mit neugierigen Würdenträgern. Ihr Gemurmel echote von den Wänden und der hohen, gewölbten Decke, auf der ein Abbild des Sternenhimmels aufgemalt war. Im frisch polierten Steinboden spiegelten sich die Gesichter der Gäste. Schalen mit wertvollen, duftenden Ölen brannten auf menschenhohen Säulen.
Ich sah Janor auf dem hohen, geschnitzten und mit Gold verzierten Thron sitzen; man merkte, dass er sich darauf nicht sonderlich wohl fühlte. Der Einzige, der bei ihm stand, war ein alter Mann, den ich nicht kannte. Hatte er keine anderen Verbündeten? Hatten sich alle in der Burg schon auf die Seite der zukünftigen Gewinnerin geschlagen?
Hetta traf mit einer großen Eskorte ein. Nemurs Tochter hatte nach Yneas Flucht ohne Mühe die restlichen Konkurrentinnen aus dem Feld geschlagen, und da sie die Unterstützung der Mächtigen besaß, war ihr die Regentschaft sicher.
In ihrer Gefolgschaft sah ich Ennobar, einen erfahrenen Vermittler, der schon der letzten Regentin gedient hatte, und dazu noch fünf in schwarze Kutten gekleidete Gestalten. Die üblichen Verdächtigen! Als der eine sprach, erkannte ich Nemurs Stimme. »Gib den Thron frei, Janor. Das ist nicht dein Platz. Hier ist die rechtmäßige Nachfolgerin!«
»Kann sie beweisen, dass sie das ist?«
»Natürlich. Es gibt zwar kein offizielles Dokument, aber zahlreiche Zeugen dafür, dass die Regentin sie zur Nachfolgerin ernennen wollte.«
»Ich kenne auch Zeugen, die behaupten, dass sie das nicht tun wollte«, entgegnete Janor. »Diese Frage wird geklärt werden müssen. Heute im Laufe des Tages werden alle Stimmen gehört. Morgen fällen wir dann die Entscheidung. Bis dahin werde ich die Regentschaft behalten.«
Missmutig sahen sich Hetta und ihre Berater an. »So soll es sein«, gab Hetta nach. Was zählte für sie schon ein einziger Tag, wenn ihr der Sieg sicher war?
Janor war sehr blass – aber er hatte gewonnen. Diesen einen Tag lang würde er regieren. Hetta zog mit hoch erhobenem Kopf hinaus und nahm den größten Teil ihres Gefolges mit. Nur eine der schwarzen Kutten blieb. Nemur. Das gefiel mir ganz und gar nicht.
Janor gab ein kleines Zeichen, und drei Menschen betraten den Thronsaal, verdutzt beäugt von der Menge. Ich konnte kaum atmen vor Freude. Es waren Ynea, Merwyn und ein älterer Mann, den ich nicht kannte, der aber das Dunkelblau meiner Gilde trug.
Wahrscheinlich ein Abgesandter des Rates. Ynea war braungebrannt und hatte ihr Haar länger wachsen lassen; sie trug eine blaue Tunika mit silberner Borte und ein Amulett mit den drei Wellen. Jetzt wusste jeder, dass sie zur Wasser-Gilde gehörte! Sie sah Joelle so ähnlich, dass sich mein Herz zusammenkrampfte.
Die drei verbeugten sich vor Janor. »Hochverehrter Regent«, sprach Merwyn, und seine klare, kräftige Stimme war im ganzen Saal zu hören. »Ein Freund von uns wird seit Monaten in der Burg festgehalten. Lebt er noch? Ist es möglich, ihm Gnade zu erweisen und ihn freizulassen?«
Auf ein Zeichen von Janor geleiteten mich die Wachen in den Thronsaal, der voller Gemurmel und Echos zu sein schien. Neugierig beobachteten mich die versammelten Menschen in der Felsenburg.
»Ihr seht, er lebt«, sagte
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