Der Sucher (German Edition)
hieß, hatte er den Iltismenschen töten lassen. Aber verhindern konnte er seinen Namen nicht mehr. Schon bald flüsterten ihn Brüder und Schwestern in ganz Daresh.
So, wie sie bald von Nachtmädchen reden, nur bessere Dinge, dachte Mi‘raela und schaffte es mit viel Mühe, ihre Gedanken wieder in andere Richtungen zu lenken.
* * *
Trotz Udikos Gemecker schien ihn meine Suche in den Tausend Schächten beeindruckt zu haben. In den folgenden Monaten ließ er mich selbst schwierige Aufträge allein erledigen; nach meiner Rückkehr besprachen wir dann ausführlich, wie es gelaufen war. Wir reisten durch das ganze Seenland in dieser Zeit, vom äußersten Nordosten bis zur Südgrenze. Ich gewann schnell an Erfahrung und Sicherheit.
Trotzdem war ich überrascht, als Udiko eines Tages beim Frühstück verkündete: »Du bist bald soweit für die Prüfung.«
Erschrocken ließ ich die Farnsprosse sinken, die ich gerade knabberte. »Was für eine Prüfung? Die Meisterprüfung ? Meinst du das ernst?« Die normale Lehrzeit betrug drei Winter, und ich war erst knapp über zwei bei ihm.
»Wenn ich sage, du bist soweit, dann ist das so. Ich werde keine Probleme haben, die nötigen Bürgen für dich zu finden.«
»Äh, ja, das ist schön, aber ...«
»Keine Angst, Kleiner«, brummte Udiko. »Du schaffst das schon. Und wenn nicht ... was soll‘s? Dann blamierst du dich eben und trittst nächsten Winter wieder an.«
Ich stöhnte und protestierte nicht weiter.
Eine Meisterin, für die ich schon einige Aufträge erledigt hatte, bürgte für mich, und einen Monat später war es soweit. Wie es Sitte war, brachte mich Udiko selbst zum Rat; rechtzeitig zum Prüftag erreichten wir die Residenz.
Die Residenz des Gildenrates ist ein ganz besonderer See. Er liegt inmitten eines Waldes und ist glatt und silbern wie Quecksilber – wenn man einen Stein hineinwirft, laufen keine Wellenringe über die Oberfläche. Dieser spezielle Schutzzauber, der Feinde abwehrt, wirkt schon seit Hunderten von Wintern.
Ich bewunderte die Schönheit des Sees, den ich erst einmal zuvor gesehen hatte, und staunte über das Getümmel, das am Ufer herrschte. Besonders bei der Gruppe der Sucher-Prüflinge war eine Menge los. Einige der Suchermeister wurden von Bewunderern umlagert, und der Glanz strahlte auf ihre Lehrlinge ab, die sich stolz dicht neben ihnen hielten und gnädig die Fragen der Umstehenden beantworteten. Zum ersten Mal wurde mir klar, wie viel Trubel Udiko durch seinen Ruf und die abgelegene Lage seines Sees von uns ferngehalten hatte. Uns trafen viele neugierige Blicke, schließlich galt Udiko als der berühmteste Sucher von allen, doch nur wenige wagten, ihn anzusprechen.
Udiko versorgte mich leise mit laufenden Kommentaren über die anderen Sucher. »Das da vorne ist Kiris«, meinte er und deutete mit dem Kinn auf einen hochgewachsenen Mann in einer dunkelroten Schwimmhaut. »Er kann was und hat schon ein paar schwierige Aufgaben gelöst. Leider ist er unerträglich eingebildet. Und siehst du den Kerl mit den langen dunklen Haaren? Das ist Laggnar. Er ist passabel in seiner Gegend, aber wenn‘s um eine Traumsuche geht, ist er hilflos wie ein Iltismensch auf dem Eis. Da vorne ist Xalia ... Sie ist ziemlich gut, aber geldgierig, sie verlangt mehr Lohn als alle anderen ...«
So ging es weiter, bis mir der Kopf von den vielen Namen schwirrte. Ich hatte längst aufgehört, sie mir zu merken.
Die anderen Lehrlinge beobachten mich neugierig und skeptisch. Während Udiko mich anmelden ging, schlenderte ich zu ihnen hinüber. Ein athletisch gebauter Junge mit zurückgekämmten, lockig-braunen Haaren fiel mir auf. Er hätte vielleicht nicht schlecht ausgesehen, aber sein Gesicht wurde von Pickeln förmlich belagert, und er hatte vorstehende Zähne. Auch ich war ihm aufgefallen. »Na, Hübscher?«, meinte er. »Kann mir denken, warum gerade du‘s geschafft hast, die Lehre beim Alten zu kriegen. Du hältst ihm das Bett warm, was?«
Beinahe hätte es mir die Sprache verschlagen. Zum Glück nur beinahe. »Ach, ich bin noch gut davongekommen«, gab ich mit einem treuherzigen Blick zurück. »Die meisten anderen Bewerber frisst er gleich. Nur bei dir hätte er bestimmt eine Ausnahme gemacht. Man verdirbt sich den Magen daran, wenn man etwas Unappetitliches isst.«
Die anderen Lehrlinge brüllten vor Lachen. Der Junge sah aus, als hätte er mich liebend gerne verprügelt. Zum Glück wurden wir kurz darauf zum Wissensteil der Prüfung
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