Der süße Hauch von Gefahr
dem Boden, Denning versuchte verzweifelt, Ormsbys tödlichen Griff um seinen Hals zu brechen. Seine Hände umklammerten Ormsbys Handgelenke, während er sich zu befreien suchte … und um wieder atmen zu können. Er kämpfte gegen die erdrückende Kraft von Ormsbys Würgegriff, rollte sich hin und her, stieß dabei mit einem lauten Krachen gegen das Eichensideboard, sodass die Gläser und Karaffen darauf klirrten.
Sekunden verstrichen, und er bekam keine Luft mehr, am Rand seines Sichtfeldes tanzten Punkte, und Denning verspürte das erste Mal Angst. Gütiger Himmel! Ormsby war dabei, ihn umzubringen. Ein Klopfen an der Tür, dann die Stimme seines Dieners:
»Master, ist alles in Ordnung? Ich habe Lärm gehört«. Der Kampf war so jäh zu Ende, wie er begonnen hatte.
Ormsby ließ sofort Dennings Hals los, er stieß sich von ihm ab und rollte sich herum, rappelte sich auf die Füße und wankte zu seinem Stuhl. Denning brauchte ein paar Augenblicke länger, um sich zu erholen, aber es gelang ihm, sich in eine sitzende Stellung zu ziehen; mühsam rang er darum, Luft in seine Lungen zu bringen, dann stolperte er zur Tür.
Er ließ sich eine Sekunde Zeit, um sein Halstuch in Ordnung zu bringen, ehe er die Tür einen Spalt breit öffnete und nur noch leicht atemlos sagte:
»Nichts, weswegen man sich Sorgen machen müsste. Der Marquis ist … äh, gestürzt. Alles ist in bester Ordnung.«
Der Diener, Dennings ehemaliger Offiziersbursche Beckham, der schon Jahrzehnte bei dem Oberst war, kannte seinen Herrn wie kein Zweiter. Er hatte mehr als genug Erfahrung mit dem Benehmen und den Launen feiner Gentlemen und nickte daher nur. Höchstwahrscheinlich einen in der Krone, alle beide.
»Dann ist es ja gut. Ich bin in der Diele, falls Sie mich brauchen.«
Denning schloss die Tür wieder und ging zurück in das Zimmer, stellte den Tisch hin und betrachtete seinen Angreifer. Er wusste genau, dass heftige Gefühle unter dem Einfluss von Alkohol selbst den friedfertigsten Mann zu Gewaltausbrüchen bewegen konnten und hatte zudem selbst an genug wilden Prügeleien nach Zechgelagen teilgenommen, sodass Denning Ormsbys Versuch, ihn zu erwürgen, in einem milderen Licht sah, als die meisten anderen es getan hätten. Es würde allerdings noch eine lange Weile dauern, bevor er das Gefühl von den zudrückenden Fingern des Marquis’ um seine Kehle würde vergessen können. Er begriff, dass Ormsby am Ende vielleicht gefährlicher war, als er zunächst gedacht hatte.
Er beschloss, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen, richtete seinen Stuhl auf und erklärte:
»Das war nicht wirklich klug von Ihnen.« Als Ormsby nur verächtlich die Lippen verzog, fügte er hinzu:
»Meine Diener wissen alle, dass Sie zu Besuch sind. Wenn sie mich erwürgt auffinden, würde der Verdacht als Allererstes auf einen einzigen Menschen fallen: Sie.«
»Wollen Sie eine Entschuldigung hören?«, erkundigte sich Ormsby höhnisch.
»Fein! Ich entschuldige mich. Ich habe den Kopf verloren.« Abrupt stand er auf und ging mit leicht unsicheren Schritten zur Tür. Seine Hand auf der Klinke drehte er sich noch einmal zu Denning um:
»Wir haben eine Vereinbarung geschlossen, Sie und ich. Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten. Drohen Sie, Ihren Teil zu brechen, töte ich Sie«, presste er hervor. Damit fuhr er wieder herum, riss die Tür auf und verschwand.
Allein im Zimmer, die Karten auf dem Boden verteilt, eines der Gläser in Scherben, ließ Denning sich schwer auf einen Stuhl fallen und überlegte. Er rieb sich das Kinn. Ormsbys Worte jagten ihm keine Angst ein, aber die Erinnerung an die maßlose Wut des anderen Mannes sandte ihm einen warnenden Schauer über den Rücken. Nur ein Narr, mahnte er sich, schenkte einer Morddrohung keine Beachtung …
Nachdenklich erhob er sich und ging über den braunroten Teppich zu dem kleinen Schreibtisch seiner verstorbenen Frau. Er durchsuchte ihn nach Papier, einer Feder und Tinte, nahm damit wieder an dem Tisch Platz, an dem er und Ormsby vor noch gar nicht langer Zeit Piquet gespielt hatten, und begann zu schreiben. Als er fertig war, hatte er zwei Seiten mit seiner männlich schwungvollen Handschrift bedeckt. Er las noch einmal durch, was er geschrieben hatte, dann setzte er seinen Namen darunter und das Datum.
Während er darauf wartete, dass die Tinte trocknete, kehrte er zum Schreibtisch seiner Frau zurück, zog die lange Schublade oben in der Mitte ganz heraus und legte sie auf den Boden. Dann
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