Der süße Hauch von Gefahr
griff er in den so entstandenen Hohlraum. Er tastete herum, fluchte halblaut, aber schließlich fanden seine Finger, wonach er gesucht hatte.
Während er lächelnd in der einen Hand ein Bündel Papiere hielt, schob er mit der anderen die Schublade wieder in den Schreibtisch und ging dann zum Tisch und dem Brief zurück, den er eben geschrieben hatte. Er faltete das Blatt mit seinem Brief um die anderen Papiere, die er aus dem Geheimversteck geholt hatte, und überlegte seinen nächsten Schritt.
Sein erster Gedanke war, die Papiere zusammen mit dem Brief wieder in das ursprüngliche Versteck zu tun, schließlich waren sie dort die letzten dreißig Jahre oder so sicher versteckt gewesen. Aber eine innere Stimme warnte ihn, dass es klug wäre, einen anderen Aufbewahrungsort zu finden. Er hatte den Ausdruck in Ormsbys Augen nicht vergessen, als er den Fehler begangen hatte, und er räumte ein, dass es ein Fehler gewesen war, die Aufmerksamkeit auf Janes Schreibtisch zu lenken. Er wollte es bei Ormsby nicht ausschließen, dass er hier ins Haus einbrach, um nachzusehen, ob es in dem Schreibtisch etwas zu finden gab.
Nein, der Schreibtisch schied als Versteck aus. Er musste etwas anderes finden, wo er dieses kleine Päckchen sicher aufbewahren konnte, bis er nach London reiten und es seinem Anwalt übergeben konnte.
Er schaute sich im Zimmer um, und sein Blick fiel auf den Mahagoni-Bücherschrank. Er ging hin, öffnete eine der Glastüren und betrachtete nachdenklich die Lederrücken der Bücher darin. Vielleicht war das die Lösung. Seine Finger glitten über die grünen, goldfarbenen und scharlachroten Buchrücken, hielten an, als er an einen dicken Band mit allen Gedichten von Thomas Chaucer kam. Er lächelte. Perfekt.
Er zog das Buch heraus, nahm das kleine Obstmesser von dem Teller mit dem Essen und schnitt sorgfältig ein Loch in die Seiten, sodass ein Hohlraum entstand, der gerade groß genug für das Päckchen war. Die Papiere mit dem darumgewickelten Brief passten ganz genau in ihr neues Versteck. Er klappte das Buch zu, musterte seine Arbeit kritisch und lächelte zufrieden. Von außen war nicht zu erkennen, was er getan hatte. Geschlossen sah das Buch genauso wie jedes andere in dem Regal aus. Er schob es wieder an seinen Platz und schloss die Tür.
Er starrte den Bücherschrank eine Weile an. Nicht die beste Lösung, aber es war sehr unwahrscheinlich, dass ein Dieb, selbst einer wie Ormsby, auf die Idee käme, die Bücher zu durchsuchen. Befriedigt mit dem Ergebnis seiner Bemühungen und immer noch lächelnd ging er zum Sideboard und schenkte sich einen Brandy ein.
Mit dem Glas in der Hand setzte er sich auf eines der beiden blau gestreiften Sofas und dachte über den Abend nach. Hätte Ormsby ihn wirklich erwürgt, hier, in seinem eigenen Haus? Das glaubte er eigentlich nicht, aber er war verflixt dankbar, dass Beckham den Tisch hatte umfallen hören und an die Tür geklopft hatte.
Denning hatte gewusst, dass er ein gefährliches Spielchen spielte, aber bis heute Abend hatte er Ormsby nicht gefürchtet. Natürlich war es auch alles andere als klug gewesen, dem Mann mit Enthüllung zu drohen oder anzudeuten, dass er vorhatte, seinen Teil der Abmachung aufzukündigen. Was hatte er erwartet? Dass Ormsby ihm anerkennend auf die Schulter klopfte? Er schnitt eine Grimasse; er war sich bewusst, dass er heute Nacht einen Fehler gemacht hatte. Welche Folgen das nach sich ziehen konnte, das wusste er nicht.
Seine Augen wanderten zum Bücherschrank. Er hätte die Papiere zu seinem Anwalt bringen sollen, sobald er sie gefunden hatte. Wenn ihm nämlich etwas zustieße, wäre es das Letzte, was er wollte, dass sie weitere dreißig Jahre oder mehr irgendwo versteckt blieben. Oder dass Ormsby die Beweise vernichtete.
Er trank seinen Brandy aus, stand auf und ging zum Sideboard, um sich nachzuschenken. Dort blieb er stehen und starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit, als suchte er nach Antworten. Aber er fand keine.
Er war nun einmal ein selbstsüchtiger Bastard, schloss er müde, während er wieder zu dem Sofa zurückkehrte und sich setzte. Wenn es ihm allein überlassen geblieben wäre, hätte er seine Familie an den Bettelstab gebracht, sie säßen jetzt alle mittellos auf der Straße – alles nur deswegen, weil er immer bloß an der nächsten Karte oder dem Fall der Würfel interessiert gewesen war. Und Jane? Was war mit ihr? Er verzog das Gesicht. Seine Besessenheit von dem Glücksspiel hatte ihr große
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