Der süße Hauch von Gefahr
Londoner Stadthaus vorgedrungen – warum sollte er dann davor zurückschrecken, in ein anderes Haus einzubrechen, das Ormsby gehörte?
Mit sanfter Stimme unterbrach Asher ihre Überlegungen.
»Erpresst er dich?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein.«
Er schob sie zu einem der Holzstühle und nahm auf dem anderen Platz, dann verlangte er:
»Erzähl es mir.«
Sie starrte mehrere Sekunden in seine dunklen Züge, musterte ihn. Sie setzte die Zukunft ihrer Schwester aufs Spiel. Konnte sie es wagen? Konnte sie ihm vertrauen?
Sie senkte den Blick, rang die Hände im Schoß und erkannte, dass ihr keine andere Wahl blieb, dass sie in dem Moment, da sie ihm die Nachricht mit der Bitte um dieses Treffen geschrieben hatte, gewusst hatte, sie musste ihm vertrauen.
»Nehmen wir an, Ormsby hätte etwas in seinem Besitz«, versuchte sie das Unvermeidliche hinauszuzögern, »sagen wir, ein paar indiskrete Briefe, die er dazu benutzt, jemanden zu erpressen – könntest du sie ihm stehlen?«
»Selbstverständlich.«
Ihr Kopf ruckte auf.
»Du klingst sehr von dir überzeugt.«
»Ich bin schließlich in sein Londoner Stadthaus vorgedrungen, oder?«
»Asher, in das Haus zu kommen, wird das Geringste dabei sein«, erwiderte sie knapp.
»Wie willst du die Briefe finden? Woher willst du wissen, wo du suchen musst? Er könnte sie überall verstecken.«
Er zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Die meisten Menschen sind Gewohnheitstäter. Ormsby hat ein besonderes Versteck, das er am liebsten benutzt … dort verwahrt er das, was ihm am Wertvollsten ist. Ich sage nicht, dass ich die Briefe schon bei meinem ersten Besuch in seinem Haus finden kann, aber ich würde nicht sehr lange dafür brauchen. Es gibt nur eine Handvoll Orte, an denen jemand wie Ormsby bestimmte Sachen aufhebt.«
Als sie nichts sagte, beugte er sich vor, nahm eine ihrer Hände in seine und sagte ruhig:
»Ich kann dir helfen, wenn du mich lässt. Erzähl es mir.«
Und das tat sie dann.
5
A sher sagte mehrere Minuten lang kein Wort, nachdem Juliana ihm alles berichtet hatte, aber seine Miene verriet mehr als genug.
Juliana hielt sein Schweigen so lange aus, wie sie nur konnte, dann erklärte sie leicht ärgerlich:
»Ich weiß, es war falsch von Thalia, aber du darfst nicht vergessen, wie jung sie ist.«
»Deine Schwester«, stieß er schließlich voller Abscheu hervor, »würde es durchaus verdienen, wenn sie am Ende Ormsby heiraten müsste. Wie kann man nur so dumm und unvorsichtig …«
Das kämpferische Glitzern in Julianas Augen warnte ihn rechtzeitig, sodass er lieber nicht zu Ende sprach. Er hielt eine Hand hoch und sagte:
» Pax!« Als Juliana kurz nickte, fragte er:
»Weißt du, um wie viele Briefe es sich handelt?«
»Ja. Drei.«
»Und wie lange haben wir Zeit, sie uns zurückzuholen?«
Juliana biss sich auf die Lippe.
»Es ist mir gelungen, die Hausgesellschaft bis zum Ende der ersten Augustwoche hinauszuschieben – also in einem Monat. Caswell wird Thalia vermutlich vorher sehen wollen, aber da sie sich nicht wohlfühlt« – ein leichtes Lächeln spielte um ihren Mund – »und voller Flecken ist, denke ich nicht, dass wir uns seinetwegen in den nächsten beiden, vielleicht auch drei Wochen Gedanken machen müssen. Ich glaube, dasselbe gilt für Ormsby, obwohl es schwerer sein wird, ihn fernzuhalten, da seine Motive sich grundlegend von Caswells unterscheiden.«
»Oh, nicht so sehr«, stellte Asher trocken fest, »sie wollen beide Thalia heiraten.«
Juliana seufzte.
»Ja, ich vermute, da hast du recht. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass Caswell Thalias Ablehnung hinnehmen und sich mit einem gebrochenen Herzen zurückziehen würde, während Ormsby nicht bereit ist, sich mit einer Zurückweisung abzufinden. Er will sie heiraten, egal ob mit fairen oder unfairen Mitteln.«
Sie sah ihn besorgt an.
»Du hast verstanden, dass Thalia und Caswell rettungslos ineinander verliebt sind, nicht wahr? Und dass Thalia es kaum ertragen kann, sich im selben Raum wie Ormsby aufzuhalten? Sie hat sich dumm und leichtsinnig benommen, aber niemand hat damit gerechnet, dass Ormsby seinen Antrag nicht nur aufrechterhalten, sondern auch noch auf dessen Annahme bestehen würde, nachdem mein Vater ihm mitgeteilt hatte, dass Thalia ihn nicht heiraten möchte. Was für eine Sorte Mann will eigentlich eine Frau heiraten, die ihn nicht ausstehen kann?«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern sagte abschließend:
»Kein Gentleman würde so handeln, wie
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