Der süße Hauch von Gefahr
Ormsby es getan hat.«
»Ich werde mit dir deswegen nicht streiten. Meine Mutter hat ihn aus tiefstem Herzen verabscheut und hat ihn immer wieder Schurke und Schuft genannt.« Er lächelte sie strahlend an.
»Im Lichte dessen, was du mir heute erzählt hast, sieht es ganz so aus, als ob Mutter recht hatte.«
Neugierig fragte sie:
»Magst du ihn deswegen so wenig? Wegen deiner Mutter?«
Er wollte es erst abstreiten, dann aber sagte er langsam:
»Das war vermutlich am Anfang so. Sie hatte nie ein gutes Wort über ihn zu sagen, daher war meine Meinung von ihm schon als kleines Kind nie hoch. Als ich älter wurde, bin ich ein paar Mal mit ihm aneinandergeraten, sodass ich willens war, ihn aus Prinzip nicht leiden zu können – und meine Mutter hat nicht versucht, gegenzusteuern.«
Juliana zog ihre Brauen zusammen.
»Ich frage mich, warum deine Mutter so wenig von ihm hielt. Ormsby war immer freundlich zu deinem Stiefvater, und die meisten Menschen in der Gegend hier begegnen ihm mit Achtung, wenn auch nicht mit Zuneigung. Ormsby hat oft auf Kirkwood gespeist, und bis vor Kurzem hat mein Vater in ihm einen Freund gesehen. Ich habe ihn schon immer für ein bisschen arrogant und kalt gehalten, aber ich hätte nie gedacht, dass er sich so verhält, wie er es jetzt getan hat. Vater ist entsetzt und enttäuscht.«
Ihre Mundwinkel senkten sich nach unten.
»Von Thalia so sehr wie von Ormsby. Es ist eine unschöne Situation.«
»Nicht so schrecklich, wie es sein würde, mein Mädchen«, warf Asher spöttisch ein, ein leises Lächeln auf den Lippen, »wenn ich nicht da wäre, um für dich die Kastanien aus dem Feuer zu holen.«
Sie schaute ihn an.
»Und wie willst du das erreichen?«
Sein Lächeln verblasste, und er starrte ins Leere.
»Ich weiß noch nicht genau, wie ich die Briefe zurückbekommen werde, aber keine Sorge, es wird mir gelingen.« Sein Blick traf auf ihren, er nahm ihre Hand und sagte voller Zuversicht:
»Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich dir Thalias Briefe bringen werde.«
Danach gab es nicht mehr viel zu sagen, sodass sie kurz darauf in Richtung Kirkwood durch den Wald ritten. Sobald die Stallungen und Nebengebäude des Landsitzes in Sicht kamen, zügelte Asher sein Pferd am Waldrand und sagte zu Juliana:
»Reit weiter, ich halte von hier aus Wache.« Er studierte das Haupthaus, das nicht weit von den Ställen entfernt stand. Dabei fiel ihm auf, dass in einem Fenster im oberen Stockwerk ein Licht brannte, und er fragte:
»Da, wo das Licht ist, ist das dein Schlafzimmerfenster?«
»Ja, ich habe eine Kerze angelassen, als ich gegangen bin.«
»Gut. Sobald du das Licht löschst, weiß ich, dass du ohne Schwierigkeiten dort angekommen bist. Jetzt aber los.«
Die Mischung aus Empörung und Belustigung angesichts dieser nicht unbedingt ritterlichen Verabschiedung ignorierend, warnte sie ihn:
»Vergiss nicht, niemand darf ahnen, was wir vorhaben.« Sie zögerte, dann erkundigte sie sich:
»Wie können wir einander sehen, ohne Verdacht zu erregen?«
Er grinste, und seine Zähne blitzten weiß in der Nacht.
»Nun, vermutlich wird Großmutter dich häufiger besuchen, um dir bei Thalias Krankheit beizustehen. Und ich bin nun einmal ein pflichtbewusster Enkel und werde sie begleiten.«
Juliana schüttelte den Kopf, ein reuiges Lächeln auf den Lippen.
»Ich hätte wissen müssen, dass du bereits einen Plan hast. Schon als Junge hattest du immer Pläne.«
»Nur Narren«, stellte er beinahe barsch fest, »stürzen sich Hals über Kopf in irgendetwas. Einen Plan zu haben ist eine unverzichtbare Maßnahme zur Schadensbegrenzung.«
Der Unterton in seiner Stimme war ihr nicht geheuer, und sie warf ihm einen Blick zu, aber die Dunkelheit verbarg seinen Gesichtsausdruck – nicht, dass sein Gesicht ihr irgendetwas verraten würde, selbst wenn sie ihn klar sehen könnte. Sie erkannte, dass er viel von sich hinter dem verbarg, was ihrer wachsenden Überzeugung nach eine absichtlich errichtete Fassade aus Spott und Gleichgültigkeit war. Einer Sache war sie sich hingegen sicher: Wenn irgendjemand Thalia vor Ormsby retten konnte, dann war es Asher.
Von seinem Versteck am Waldrand aus verfolgte Asher Julianas Weg zum Stall, bis sie in dem langgezogenen flachen Gebäude verschwand. Er verfluchte die Dunkelheit, die es ihm nur erlaubte, vage Umrisse zu erkennen. Seine innere Anspannung ließ nach, als er kurz darauf einen Schatten aus den Stallungen treten und zum Haupthaus huschen sah. Er
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