Der süße Hauch von Gefahr
dass er immerhin wusste, die beiden waren Brüder; es konnte nicht sonderlich schwer sein, herauszufinden, welcher von den Stallburschen auf Kirkwood einen Bruder hatte, der Stallmeister bei Ormsby war.
Nachdem die Geschäfte abgeschlossen waren, trennten sich die beiden Männer im Stall, wobei der Mann von Ormsby sagte:
»Und vergiss nicht, halt Augen und Ohren offen.«
Irgendetwas vor sich hin brummend verließ der Jammerlappen das Zimmer, und kurz darauf verlosch die Kerze. Asher blieb stehen, wo er war, und erst als er die Geräusche vernommen hatte, die darauf hinwiesen, dass der Mann sich wieder zum Schlafen hinlegte, rührte er sich von der Stelle.
Leise schlich er sich an der Wand entlang zur Vorderseite des Stalles. Er hörte, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, und beeilte sich, sodass er kurz darauf an der Stallecke ankam und sehen konnte, wie der Stallbursche aus Kirkwood in die Dunkelheit ritt. Als der Hufschlag in der Ferne verklang, lief Asher rasch dorthin, wo er sein eigenes Pferd angebunden hatte.
Gedankenversunken ritt er durch die nächtliche Stille zurück nach Fox Hollow. Diese Nacht war … sehr interessant gewesen. Unter anderen Umständen hätte ihn Ormsbys Entschlossenheit, Thalia zu heiraten, belustigt, aber ihre Briefe dazu zu benutzen, eine Ehe mit ihr zu erzwingen, warf ein völlig anderes Licht auf die Lage. Er grinste. Er hätte die Briefe Ormsby einfach aus Freude daran, es tun zu können, gestohlen, aber dass er dabei Thalia aus Ormsbys Klauen rettete, verlieh dem Vorhaben einen Anstrich von Ritterlichkeit. Wenn Juliana recht hatte, war Thalia in Caswell verliebt – und was konnte ritterlicher sein, als dafür zu sorgen, dass zwei Liebende zusammenkommen konnten?
Und dann war da noch Juliana … Seine Lenden wurden bei der Erinnerung an ihren weichen Körper schwer, er erinnerte sich nur zu gut an den Geschmack und das Gefühl ihres Mundes unter seinem. Himmel! Er hatte sich wie ein grüner Junge bei seiner ersten Frau benommen. Er war über sie hergefallen wie ein halb verhungerter Wolf über ein Lamm im Frühling und hätte sie um ein Haar auf dem verschrammten wackeligen Tisch in der verflixten Wildererhütte genommen! Selbst mit einigem Abstand von dem Ereignis schämte er sich seiner Reaktion. Sie war beinahe so etwas wie eine Schwester für ihn, überlegte er ungläubig, und er hatte nur Augenblicke davorgestanden, sie zu nehmen, als sei sie ein Flittchen in einer Hafentaverne.
Obwohl er fünf Jahre älter war als sie, waren sie, seitdem er etwa acht Jahre war und sein Stiefvater in irgendeinem namenlosen Scharmützel ein Bein verloren und nach Apple Hill zurückgekehrt war, gewissermaßen zusammen aufgewachsen. Mit einem leisen Kopfschütteln erinnerte er sich an diese sorglosen Kindertage. Wie oft hatte sie ihn und seine Brüder verpetzt, und wie sehr hatte es ihn dann immer in den Fingern gejuckt, sie zu ohrfeigen. Anfangs hatte er in ihr eine der Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts gesehen, die ihn wie sonst nichts erzürnen und ärgern konnten. Aber er mochte sie auch, und wenn er an sie dachte, dann geschah das mit derselben Zuneigung, wie er sie seinen jüngeren Schwestern entgegenbrachte. Doch das alles hatte sich in einem einzigen Moment heute Nacht geändert, und er bezweifelte, dass er je wieder dazu zurückkehren konnte, an sie mit etwas zu denken, das auch nur entfernt an brüderliche Gefühle erinnerte.
Die nackte Tatsache war doch, dass er sie auf die grundlegendste Weise begehrte, mit der ein Mann nach einer Frau verlangte. Und er hatte Verlangen nach ihr verspürt, rief er sich unbehaglich ins Gedächtnis, mehr als er sich je erinnern konnte, eine Frau gewollt zu haben.
Selbst nachdem er Fox Hollow erreicht hatte, abgestiegen war und sein Pferd versorgt hatte, weilten seine Gedanken weiter bei Juliana und der Hütte. Seine eigene Reaktion verstand er halbwegs – er war ein Mann, und es war mehrere Monate her, dass er mit einer Frau intim geworden war. Als er das Haus betrat und nach oben in sein Schlafzimmer im zweiten Stock ging, war es Julianas Reaktion auf ihn und seine wenig feinfühligen Avancen, die ihn beschäftigten. Warum hatte sie ihm nicht einfach eine Ohrfeige gegeben und ihm eine saftige Abfuhr erteilt? Die Juliana, die er früher gekannt hatte, hätte das gewiss getan. Er grinste. Mit Genuss hätte sie das – und dann hätte sie ihm eine Gardinenpredigt gehalten, wie unanständig, schändlich und verdammenswert
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