Der süße Hauch von Gefahr
er war froh, seine älteste Tochter wieder bei sich zu haben; außerdem kümmerte sie sich um Thalia und nahm ihm die Bürde der Oberaufsicht über die Haushaltsführung ab, sodass er sich in seinen Büchern vergraben konnte. Sie überraschte sich selbst fast so sehr wie ihn, als sie ablehnte und ohne viel Federlesens Rosevale kaufte, ein zweistöckiges Fachwerkhaus, zu dem dreihundert Morgen fruchtbares Ackerland gehörten.
Sie stellte sich taub all jenen gegenüber, die ihr nahelegten, sie sei zu jung und zu hübsch, um allein zu leben, und machte sich daran, Rosevale in ihr Zuhause zu verwandeln. Einzig in einem Punkt machte sie Zugeständnisse und nahm ihr altes Kindermädchen, die liebe Mrs Rivers, in ihrem Haushalt auf, um etwaigem Klatsch aus dem Wege zu gehen. Das reichte ihrem Vater, und da Mrs Rivers eine fröhliche und vernünftige Frau war, die viel zu dankbar war, in so angenehmen Verhältnissen zu leben, die sie sich selbst nie würde leisten können, um irgendwelche Einwände gegen irgendetwas zu erheben, das Juliana vorschlug, waren alle mit dem Arrangement zufrieden. Ihre Dienerschaft bestand aus der Köchin, einer Haushälterin, einem Zimmermädchen, einem Gärtner und einem Stallburschen und sorgte dafür, dass alles reibungslos lief. Sie war glücklich und bereit, ein ruhiges Leben auf dem Lande zu führen. Es mangelte ihr an nichts. Ihr Vater und ihre Schwester lebten ganz in der Nähe, sie hatte ihr eigenes Heim, ihr eigenes Vermögen, und sie konnte und wollte ihr Leben so einrichten, wie es ihr gefiel. Es beschwingte sie.
Als sie ihrem Vater anbot, ihm bei Thalias Debüt in London zu helfen, hatte Juliana geglaubt, es würde eine angenehme Abwechslung werden. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, nur ein paar Monate von Rosevale fort zu sein, während die Familie in London weilte; wenn sie dann nach Kent zurückkam, wollte sie wieder in ihr eigenes gemütliches Haus ziehen und nur zu besonderen Anlässen wie beispielsweise zu der Hausgesellschaft nach Kirkwood kommen, wenn ihre Anwesenheit dort erforderlich war.
Ihre Mundwinkel sanken nach unten. Es hatte alles so einfach und unkompliziert ausgesehen, dachte sie unglücklich, bevor Ormsby alle Pläne ruiniert und sie auf den gefahrvollen Weg gezwungen hatte, dem sie nun folgte. Für jemanden, der so respektabel und angepasst wie Juliana war, war die Vorstellung, sich in Ormsbys Stadthaus in die Bibliothek zu schleichen, um etwas zu stehlen, schlicht unmöglich gewesen. Aber das war vorher gewesen, machte sie sich klar, ehe Ormsby damit gedroht hatte, Thalias Chance auf eine glückliche Zukunft zu zerstören.
Von dem Augenblick, als sie die Tür zu Ormsbys Bibliothek geöffnet hatte und in den dunklen Raum getreten war, hatte sie genau gewusst, dass sie sich auf unsicherem Boden bewegte, jeder Schritt konnte sie straucheln lassen. Seitdem hatte sich nichts geändert. Wenn überhaupt, dann hatte sie alles nur noch schlimmer gemacht, indem sie jemand anderen hineingezogen hatte, sich seiner Hilfe vergewissert hatte … ihn wissen ließ, wie närrisch ihre Schwester gewesen war.
Plötzlich fiel ihr sengend heiß wieder ein, wie sie auf dem schrecklichen alten Tisch gelegen hatte, die Röcke bis zur Taille hochgeschlagen, ihr Körper heiß und voller Verlangen, sich nach Ashers Berührung sehnend. Sie wurde über und über rot. Gütiger Himmel! Sie, und nicht Thalia, hatte kurz davor gestanden, restlos kompromittiert zu werden. Und ruiniert!
Sie barg ihr Gesicht in den Händen, verlegen und voller Scham. Die Zukunft ihrer Schwester stand auf dem Spiel, und sie hatte sich benommen wie ein gemeines Flittchen. Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Auf jeden Fall hatte sie nicht an Thalia gedacht, gestand sie sich elend ein. Dabei musste Thalia ihre erste und einzige Priorität sein.
Juliana holte tief Luft. Was in dieser Nacht geschehen war, war ein einmaliger Fehltritt gewesen, ein Moment außerhalb der Zeit, ein Augenblick, der sich nie wiederholen würde. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, sie war sich noch nicht einmal sicher, wie es hatte geschehen können – sie wusste nur, dass nach Ashers erster Berührung, nachdem er sie in die Arme genommen hatte, die Welt um sie versunken war. Es gab nur noch Asher und seine Küsse, seine Zärtlichkeiten. Er hatte sie mehr erregt, als sie es je für möglich gehalten hätte. In diesen wilden, zügellosen Momenten hatte sie alles vergessen außer, wie wundervoll sein Mund sich auf ihrem
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