Der süße Hauch von Gefahr
schwarzen Haar, das er ein wenig länger trug, als die gängige Mode es vorschrieb; sie entschied, dass der achtlose Stil gut zu seinen schmalen dunklen Zügen passte. Der dunkelblaue Rock umschloss seinen muskulösen Körper wie angegossen, sein Halstuch war ordentlich gebunden, und die Nankeen-Hosen umschmeichelten seine kräftigen Beine. Seine schwarzen Stiefel waren makellos blank poliert.
Er war sich ihrer Musterung sehr wohl bewusst und erkundigte sich mit belustigt funkelnden blauen Augen:
»Und, bestehe ich die Prüfung?«
Juliana wurde über und über rot, verlegen, dass sie dabei erwischt worden war, ihn anzustarren. Steif erklärte sie:
»Das war unhöflich. Ich entschuldige mich.«
»Nicht nötig. Starr, so viel du magst … vorausgesetzt, ich darf mir dieselben Freiheiten herausnehmen.«
»Ach, hör doch auf!«, verlangte sie ungeduldig.
»Ich bin nicht in der Stimmung für Wortgefechte mit dir.«
Sie sah ihn an.
»Hast du schon einen Plan, wie du Thalias Briefe zurückbekommen willst?«
Asher zuckte die Achseln.
»Sicher. Ich werde mehrere Nächte benötigen, um die Örtlichkeit in Ruhe auszukundschaften, und dann, wenn alles gut aussieht, werde ich zuschlagen. Angenommen, sie sind wirklich dort, wo ich glaube, dass sie sind, hast du Thalias Briefe in nicht mehr als in ein paar Tagen zurück.«
»Ich hoffe inständig, du hast recht«, stieß sie hervor.
»Die ganze Sache ist unglaublich anstrengend für uns alle. Thalia ist so rastlos und nervös, und ich weiß, dass es nicht allein an ihrer Krankheit liegt. Sie fühlt sich schuldig und schämt sich, hat zudem Angst, was die Zukunft ihr wohl bringen mag.« Juliana seufzte und starrte auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte.
»Und der arme Papa ist außer sich vor Sorge. Er macht sich ebenfalls Vorwürfe, und weil er machtlos ist, ihr zu helfen, schämt er sich beinahe so sehr wie Thalia. Es ist einfach schrecklich.«
Asher legte seine warme Hand auf ihre.
»Und was ist mit dir?«, erkundigte er sich leise, erstaunt, wie sehr er es sich wünschte, ihr ihre Sorgen abzunehmen und die Drachen zu erschlagen, die ihren Seelenfrieden bedrohten.
Juliana zog hastig ihre Hand unter seiner hervor und sagte halb lachend, halb verzweifelt:
»Ach, ich bin wie immer der Fels in der Brandung. Ich kann mich nicht der Verzweiflung überlassen, weil dann beide das Gefühl hätten, alles sei verloren.«
»Dein Vater ist ein erwachsener Mann. Deine Schwester ist auch kein Kind mehr, und die momentane Lage haben sie sich ganz allein selbst zuzuschreiben. Denkst du nicht, es ist an der Zeit, dass sie beide aufhören, sich immer nur darauf zu verlassen, dass sie von dir gerettet werden? Dass sie ihre Probleme selbst in die Hand nehmen?«, fragte er scharf.
»Wie kannst du es wagen!«, rief sie empört und starrte ihn wütend an.
»Ich habe mich an dich um Hilfe gewandt, nicht, damit du meine Familie kritisierst.«
Asher erkannte seinen Fehltritt sogleich und bemühte sich, sie wieder zu beschwichtigen. Zerknirscht hob er die Hände und sagte:
»Entschuldige. Ich habe gesprochen, ohne vorher nachzudenken, und wollte dich nicht kränken.« Er lächelte schief.
»Verzeihst du mir? Bitte?«
Wenn er sie so anschaute, mit diesem Lächeln um den Mund und den warm blickenden dunkelblauen Augen, fürchtete Juliana, dass sie ihm beinahe alles verzeihen würde. Verärgert über sich selbst erklärte sie:
»Natürlich. Du hast versprochen, uns zu helfen, und ich möchte mich nicht mit dir zanken. Ich habe auch so Schwierigkeiten genug, ohne mir noch künstlich welche schaffen zu müssen.«
Asher betrachtete seine überkreuzten Knöchel und sagte trocken:
»Nach dem, was ich gestern Nacht herausgefunden habe, fürchte ich, dass du mehr Schwierigkeiten hast, als du ahnst.«
»Was meinst du?«, wollte sie mit sorgenvoll geweiteten Augen wissen.
In unverblümten Worten berichtete er ihr, was geschehen war, nachdem sie sich getrennt hatten. Als er fertig war, herrschte in der Laube mehrere Sekunden Schweigen.
»Gütiger Himmel!«, entfuhr es ihr schließlich.
»Ormsby hat einen Spion in unserem Haushalt untergebracht? Warum? Er hat doch die Briefe!«
»Ich vermute, er will kein Risiko eingehen, dass ihm Thalia doch noch irgendwie vor der Nase weggeschnappt wird.«
»Aber solange er die Briefe doch noch hat …«
»Die Briefe verleihen ihm nur die Macht, die ihr ihnen zugesteht«, erklärte Asher.
»Nimm einmal an, Thalia setzt es sich in den Kopf,
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