Der süße Hauch von Gefahr
ich sie heiraten will? Sie musste doch wissen, dass heute Nacht nicht geschehen wäre, dass ich nie zugelassen hätte, dass sich die Sache so weit entwickelt, wenn ich nicht vorhätte, sie zu heiraten. Sie kann doch nicht allen Ernstes denken, dass heute Nacht der Beginn einer leidenschaftlichen Affäre ist oder – schlimmer noch – ein einmaliges Ereignis, das sich nie wiederholen würde.
Er lauschte auf die Laute, die sie machte, während sie sich hastig im Dunkeln ankleidete, und war nicht ermutigt. Ihre Bewegungen waren von verzweifelter Hast bestimmt, die nichts Gutes verhieß. Sobald er sein Hemd zugeknöpft hatte, steckte er es in seine Hosen und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, dann sagte er leise:
»Juliana, wir müssen miteinander reden.«
Obwohl sie sich ein wenig besser fühlte, jetzt, da sie wieder angezogen war, wäre sie am liebsten aus dem Raum gerannt und hätte sich irgendwo versteckt, um nie wieder hervorzukommen.
»Worüber?«, fragte sie. »Du hast doch schon einen Plan, wie du Thalias Briefe stehlen kannst, und ich sehe nicht …«
Er war um das Sofa herumgekommen und hatte sie an den Oberarmen gepackt, ehe sie wusste, was er vorhatte.
»Ich will nicht«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »mit dir über Thalia sprechen – oder ihre verflixten Briefe! Ich möchte über uns reden. Über das, was heute Nacht zwischen uns geschehen ist.«
Juliana schluckte, bemühte sich darum, welterfahren zu wirken, hatte aber bedauerlich wenig Erfolg dabei.
»Ach das. Es war sehr nett!«
»Nett?«, wiederholte er ungläubig und gleichzeitig empört. Sie tat das, was für ihn der wunderbarste Liebesakt gewesen war, den er je erlebt hatte, als bloß »nett« ab? Entschlossen, sich von ihr nicht auf einen Nebenschauplatz ablenken zu lassen, atmete er tief durch und sagte mit wesentlich mehr Ruhe:
»Hier geht es nicht darum, ob oder wie gut ich war, und glaube mir, Süße, es war mehr als nur ›nett‹! Nein, es geht um unsere Heirat.«
In der Dunkelheit starrte Juliana ihn mit offenem Mund an.
»Heirat? Unsere?«, fragte sie verblüfft. Sie hatte es noch gar nicht richtig verarbeitet, dass sie ihre lebenslang geltenden Prinzipien einfach so über Bord geworfen hatte, noch nicht begriffen, wie sie sich so sittenlos und unzüchtig hatte aufführen können, dass ihr der Gedanke einer Heirat überhaupt nicht gekommen war.
Sein Griff um ihre Arme lockerte sich, er schüttelte sie leicht.
»Natürlich Heirat. Ich werde heute Nachmittag herkommen und mit deinem Vater sprechen, dann können wir das Aufgebot Sonntag vom Vikar verlesen lassen. Und in einem Monat könnte die Hochzeit sein.«
Ihre Gefühle wirbelten wild durcheinander, während sie ihn von sich schob.
»Nein«, erklärte sie atemlos, »ich möchte nicht wieder heiraten.«
Verdutzt starrte Asher sie an, verfluchte insgeheim die Dunkelheit, die verhinderte, dass er in ihren Zügen lesen konnte, was sie dachte. Er ging ihre Worte im Geiste durch. Sie hatte nicht gesagt, sie wolle ihn nicht heiraten, sondern sie wolle ganz allgemein keine neue Ehe eingehen … Vorsichtig sagte er:
»Lass mal sehen, ob ich dich richtig verstanden habe: Du hast weniger etwas gegen mich, als gegen eine Ehe an sich einzuwenden, richtig?«
Sie nickte, merkte dann, dass er sie ja nicht sehen konnte, und sagte daher:
»Ja. Genau das ist es. Ich möchte niemanden heiraten.«
»Niemals?«
»Nein, nie.«
»Also wärest du bereit, meine Mätresse zu werden, aber nicht meine Ehefrau?«, erkundigte er sich mit einem Unterton in der Stimme, der ihr nicht gefiel.
Sie zögerte. Nein, seine Mätresse wollte sie auch nicht sein, aber nachdem er ihr heute Nacht einen Vorgeschmack auf den Himmel gegeben hatte, vermutete sie unglücklich, dass er wohl nur einen Finger krumm machen müsste, und schon würde sie in seine Arme fliegen. Und seine Mätresse werden. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz elend. Juliana glaubte nicht, dass es ihr gefiele, seine Geliebte zu sein, selbst wenn das, was sie vorhin erlebt hatten, das Aufregendste und Schönste war, was ihr je zugestoßen war. Sie war stets eine gehorsame Tochter gewesen, eine treue und fügsame Ehefrau; sie hatte sich ihr ganzes Leben lang nach den Regeln der Gesellschaft gerichtet … Sie biss sich auf die Lippe. Nun, abgesehen davon, dass sie versucht hatte, sich Thalias Briefe zurückzuholen, und sich von Asher eben hatte lieben lassen. Mit Ausnahme davon war sie so sittsam, anständig und der Tradition
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