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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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ich lasse sie ihr, damit ich noch ein bisschen länger telefonieren kann, auch wenn ich nur noch verschwommene Lichtflecke sehe.
    Er seufzt, sagt aber nichts.
    »Diego, kannst du mir nicht verraten, was eigentlich los ist?«
    »Nichts ist los. Ich muss auflegen. Ich melde mich wieder bei dir, aber falls es nötig ist, dann kannst du mich ab sofort auch unter dieser Nummer anrufen. Ich muss Schluss machen.«
    Damit legt er auf. Kopfschüttelnd verstaue ich das Handy in meiner Handtasche, die ich aus einer alten geblümten Wachstuchdecke und Knöpfen selbst genäht habe, und ziehe Ida die Schuhe an. Und dabei wird mir klar, wie durcheinander mich Diegos Anruf gebracht hat. Ida hat ja immer noch ihren kimonoartigen Pyjama an, weder gefrühstückt, geschweige denn Zähne geputzt oder ihr Gesicht gewaschen und ihre Haare sind auch noch nicht gekämmt. Ich gehe mit ihr ins Bad, dann flechte ich ihr glänzend schwarzes Haar und binde ihr die rosa Lieblingsspangen mit den Schleifen in die Zöpfe. Danach mache ich mir einen Kaffee und gebe Ida ihre heiße Misosuppe, auf der Yukiko besteht. Sie behauptet, dass die Deutschen nur deshalb so dick sind, weil sie sich mit so viel Brot vollstopfen. Immerhin verschont sie mich mit Diättipps, weshalb ich sie nur noch mehr schätze. Ida löffelt die würzig duftende Suppe in ihrem Hochstuhl aus hellem Pappelholz ordentlich und gekonnt wie eine Erwachsene, während ich meinen Kaffee mit extra viel Milch und Zucker schlürfe und dabei über Diego nachdenke.
    Er liebt mich. Seit Wochen wünsche ich mir, dass er so etwas sagt. Aber warum freue ich mich dann nicht viel mehr? Warum ist dieses Kribbeln in meinem Bauch kein glückliches »Ich-möchte-die-ganze-Welt-umarmen«-Kribbeln, sondern eher ein nervöses »Was-soll-denn-das-jetzt-bedeuten«-Kribbeln? Ich frage mich, warum er mir das nach vier Tagen Funkstille einfach am Telefon verkündet. Weil er es nicht schafft, es mir ins Gesicht zu sagen? Hey, so feige kann er doch nicht sein, oder?
    Nach zwei Tellern Suppe ist Ida satt, mein Kaffee ist leer und wir rüsten uns für den Ausflug zum Spielplatz: Wasser, Äpfel und Reiswaffeln, der Ball und etwa fünfzig Lieblings-Sandförmchen von Ida kommen in das Netz ihres Kinderwagens. Ida fragt wie jedes Mal, wenn wir den Kinderwagen beladen, nach ihrem alten Stoffhasen Emil, den wir auf dem Flohmarkt verloren haben, und ich behaupte, Emil sei in Paris, um sich dort mit der Bambusprinzessin zu treffen. Das findet sie spannend und ich muss ihr natürlich eine Geschichte dazu erzählen, während wir den Aufzug nach unten nehmen. Dort stelle ich die Alarmanlage an, damit niemand sonst mit dem Aufzug in das Penthouse gelangen kann, winke dem alten Schubert zu, der jetzt so benommen und fahrig wirkt, als hätte ich ihn bei einem Nickerchen gestört, und dann düsen Ida und ich ab durch die Mitte.

Lu am Donnerstag, dem 7. Juni 2012, Fronleichnam, 10.00 Uhr
    Ich schaffe es nur knapp, meine Geschichte von Emil und der Bambusprinzessin zu beenden, bevor wir den Spielplatz erreichen. Heute ist Feiertag und noch dazu ist es schwül wie in einer Dampfsauna, aber trotzdem ist auf dem Spielplatz erstaunlich viel los. Ich finde nur mit Müh und Not einen Platz für mich auf einem Baumstamm, der als Begrenzung für den riesigen Sandkasten dient. Obwohl der Spielplatz ein bisschen unübersichtlich ist, gehe ich gern hierher, weil rundherum alte Platanen stehen und die Stadt letztes Jahr einen Wassermatschtümpel mit großen Steinfiguren angelegt hat, den alle Kinder lieben. Außerdem ist der Spielplatz von einem niedrigen Zaun umgeben, der die Hunde abhält.
    Ida entdeckt Leon, einen Freund aus ihrer Kita, der mit Alex, seinem weichgespülten Vater, da ist. Alex hält sich für einen Mordsvater, weil er ein ganzes Jahr Elternzeit genommen hat. Er tut immer sehr offen und tolerant, aber beim Osterfest der Kita habe ich gehört, wie er gesagt hat, Yukiko und Christian hätten sich lieber einen Hund anstelle eines Kindes anschaffen sollen. Wir nicken uns also nur kurz zu, dann liest er weiter in seinem Erziehungsratgeber und so kann ich in Ruhe meinen Gedanken über Diego nachhängen.
    Leon und Ida füllen Sand in ihre Eimerchen, backen Kuchen, graben Tunnel und bewerfen andere Kinder mit Sand. Leon greift auch zu kleinen Kieselsteinen, was dann zu empörten Aktionen mehrerer Mütter führt, weshalb ich mich entschließe, mit Ida zu den Wipp-Figuren und Schaukeln zu wechseln. Leons Vater bleibt natürlich, weil

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