Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
Vom Netzwerk:
jedenfalls noch nie bemerkt.
    Ida ist noch ganz verschlafen, spürt aber, dass etwas im Busch ist, und fängt prompt an, weinerlich herumzunölen, was sie sonst nur selten tut. Ich nehme sie auf meinen Arm und wir gehen mit Christian und Yukiko zum Aufzug. Andrea wartet schon mit den schwarzen Samsonite-Koffern.
    Als sich die Türen öffnen, nimmt mir Yukiko noch einmal Ida ab und umarmt sie so lange, bis Christian sie leise daran erinnert, dass der Flieger nicht auf sie warten wird. Endlich steigen sie in den Aufzug und dann sind sie weg.
    Andrea fragt, ob es mich stört, wenn sie das Radio anmacht. Als ich verneine, schaltet sie Klassikradio an und macht sich summend in der Küche zu schaffen, während ich mit Ida durch die Wohnung Walzer tanze, immer an den Panoramaglasfenstern entlang, durch die man die Skyline von Frankfurt sehen kann. Ich liebe diesen Ausblick und habe noch nie verstanden, warum die Leute behaupten, Frankfurt sei so hässlich.
    Zuerst ist Ida äußerst ungnädig, nach einiger Zeit beruhigt sie sich und beginnt, an meinen Haaren zu ziehen und an meiner Brille rumzufummeln.
    Andrea taucht auf. »Ich gehe jetzt einkaufen und muss dann zum Arzt. Wäre es für dich in Ordnung, wenn ich gegen zwei Uhr nachmittags wieder hier bin?« Sie duzt mich nur, wenn Yukiko und Christian nicht dabei sind. Überhaupt ist sie viel entspannter, wenn wir allein sind. Yukiko schüchtert sie ein, vermute ich.
    »Ich kann auch für Ida und mich selbst kochen, das würde uns großen Spaß machen.« Ich denke daran, Ida einen klebrigen Hefeteig für Pizza kneten zu lassen, das wird ihr sicher guttun. »Warum nimmst du nicht einfach den Rest des Tages frei?« Schon während ich das vorschlage, dämmert mir, dass sie ohne eine entsprechende Anweisung von Yukiko nicht darauf eingehen wird. Es käme ihr falsch vor.
    Zu meiner großen Überraschung zwinkert sie mir zu. »Ja, das wäre schön, aber es gehört sich leider nicht.« Sie seufzt ein bisschen, dann hellt sich ihr Mutter-Beimer-Gesicht auf. »Aber wenn du einverstanden bist, surfe ich noch ein bisschen bei Ebay, komme erst so gegen vier Uhr und backe dann einen Riwwelkuchen. Den isst Sebastian doch so gern.«
    »Klingt sehr verlockend.« Ich klopfe auf meinen Bauch und grinse sie an. »Du bist schuld, wenn ich hier am Sonntag rausgerollt werden muss!«
    »Unsinn, da ist doch kein Gramm zu viel. Glaub mir, Marie-Lu, richtige Männer wollen doch gar nicht solche Skelette wie…« Abrupt unterbricht sie sich, wird ein bisschen rot und mir wird klar, dass sie Yukiko gemeint hat.
    »Weißt du, was«, sage ich schnell, um die Situation zu überspielen, »ich rufe später Sebastian an, der würde für deinen Streuselkuchen sogar noch vom Mond herfliegen.«
    Bei der Erwähnung Sebastians lächelt Andrea, was sie zehn Jahre jünger wirken lässt. Sie holt ihren beigefarbenen Sommertrenchcoat, obwohl es draußen heiß und schwül ist, nimmt ihren Schlüssel und geht dann zum Aufzug, nicht ohne noch den Müll aus der Küche mitzunehmen.
    Ida und ich winken ihr. »Bis später dann, macht euch einen schönen Tag!«, ruft sie noch und dann ist sie auch verschwunden.
    »Wir sind frei, wir sind allein, Ida«, singe ich und tanze wieder mit meiner kleinen Nichte durch die Wohnung. »Was wollen wir heute machen? Spielplatz? Schwimmbad?«
    »Ball!«, kommandiert Ida. »Ich will Ball spielen!« Ich habe ihr einen altmodischen rosa Ball mit weißen Punkten geschenkt, den sie heiß und innig liebt. Leider kann sie nicht besonders gut fangen und werfen, was das Ballspielen für mich zum Fitnesstraining macht, weil ich mich entweder bücken, irgendwohin kriechen oder hochklettern muss. Auf der Dachterrasse gibt es zwar genug Platz, aber letztes Mal haben wir beim Ballspielen zwei sündhaft teure Bonsaikirschbäume geschrottet und ich musste Yukiko versprechen, dass das nicht wieder vorkommt.
    Deshalb entscheide ich mich für den Spielplatz am Stadtpark. Aber als ich Ida anziehen will, rennt sie weg und versteckt sich. Na gut, spielen wir also eine Runde Verstecken, wir haben ja alle Zeit der Welt. Ihr Lieblingsversteck ist unter der nilgrünen Cashmeredecke auf dem schwarzen Ledersofa. Sie rollt sich zusammen wie eine Katze, legt die Decke über sich und denkt, dass sie so keiner sieht. Wenn sie wüsste, wie komisch diese grüne Beule auf dem edlen Sofa wirkt, würde sie sich bestimmt ein anderes Versteck suchen.
    Ich tue so, als würde ich sie nicht sehen, und laufe durch die Wohnung.

Weitere Kostenlose Bücher