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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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kriegen, wobei er ihn mit Sand und Wasser vollspritzte. Vielleicht würde er ihm heute auf dem Rückweg sein Versteck zeigen, die Jagdhütte. Vielleicht.
    »Warum gehst du nicht auch rein?«, fragte Jo und warf sich dann auf den ausgefransten bleichen Lappen, den die Pflegeeltern ihnen als Handtuch mitgegeben hatten.
    Er zuckte mit den Schultern. »Muss mich erst noch ein bisschen aufwärmen.«
    Jo kramte ein gelbes Reclamheft raus, das er für die Schule lesen musste, was ihm aber nichts auszumachen schien.
    Wie langweilig! Immer dieses Lesen. Jo sollte etwas mit ihm unternehmen. Er wartete fünf Minuten, dann rappelte er sich auf. »Okay, kommst du mit ins Wasser? Wir schwimmen um die Wette bis zur Insel.«
    Jo hob den Blick vom Buch und grinste den Älteren an. »Mir ist noch kalt. Wenn du dich eine Viertelstunde geduldest, kannst du gern gegen mich verlieren.«
    Sein Pflegebruder grapschte sich das Reclamheft, schleuderte es weit weg, setzte sich auf Jo und spürte dessen Beinmuskeln an seinen Innenschenkeln. Er packte ihn hart an den Oberarmen und presste sie fest in den körnigen Sand. »Unsinn, mich kriegst du nie!«
    Jo wand sich unter dem Gewicht. »Das werden wir ja sehen und jetzt lass mich in Ruhe und hol mir mein Buch zurück.«
    »Nie im Leben.« Er drückte seinen Hintern fester in den feuchten Bauch von Jo. »Hol’s dir doch selber!« Gespannt beobachtete er Jos Gesicht, neugierig, was er tun würde.
    Jo sah ihm direkt in die Augen und er spürte, wie gefährlich das für ihn war, denn dieser wissende Blick traf ihn viel mehr als eine Faustattacke.
    »Wenn du willst, bring ich es dir bei«, keuchte Jo.
    »Ich kann schwimmen, du Depp!«
    »Lesen, ich bring dir das Lesen bei.«
    Dieser kleine Wichser versetzte ihm allein mit Worten den Todesstoß.
    »Ich verrate es auch keinem. Hey, Lesen ist cooler, als du denkst.«
    Ein gewaltiger Tsunami aus Wut bahnte sich den Weg durch den Körper des Älteren, Jos Gesicht explodierte in einzelne Pixel und jedes flüsterte ihm höhnisch zu: Analphabet, Loser, Dummkopf, und es gab nur einen Weg, das abzustellen. Seine Faust krachte in die hübsche Visage von Jo, einmal und noch mal und dann erst hielt er keuchend inne, gleichzeitig entsetzt und erfreut von dem Bild, das sich ihm bot.
    Blut tropfte aus Jos Nase und sein Auge schwoll sofort zu einem Frankensteingesicht an.
    Er starrte ihn an und wunderte sich, dass es nicht eintraf, dieses Gefühl der Erleichterung, der Befriedigung, das er sonst hatte, wenn er jemand anderen schlug.
    Jo zuckte nur mit den Schultern. »Okay, lassen wir das.« Er wartete, bis sein Pflegebruder sich von ihm runterwälzte, wartete einfach ab. Dann stand Jo auf und holte sich das Reclamheft, das vom Herumwerfen fleckig geworden war. Dabei hinterließ er eine Spur von blutigen Tropfen im Sand, aber das schien ihm egal zu sein, er machte keine Anstalten, das stetige Nasenbluten zu stoppen. Er setzte sich auf sein Handtuch, wobei er ein Wimmern unterdrückte. Sein rechtes Auge war mittlerweile fast zugeschwollen, trotzdem starrte er in sein Buch und tat so, als würde er lesen.
    Warum war Jo so? Warum schlug er nicht zurück? Warum wehrte er sich nicht? Er überlegte, was passieren würde, wenn er zugab, dass er kaum lesen konnte. Jo würde sich alle Mühe geben, es ihm beizubringen, sie wären zusammen, würden Zeit miteinander verbringen.
    Er schluckte ein paar Mal, dann streckte er Jo die Hand hin. »Sorry, das war gemein von mir.«
    »Stimmt, Arschloch!« Jo sah nicht mal vom Buch auf.
    Er zog seine Hand wieder zurück. »Ich kann nicht lesen.«
    »Und?«
    Immerhin wendete Jo ihm jetzt wieder sein übel zugerichtetes Gesicht zu.
    »Würdest du es mir beibringen?«
    »Wieso sollte ich? Damit du mir jedes Mal die Fresse einschlägst, wenn dir was nicht passt?«
    Sein Wunsch, mit Jo lesen zu lernen, war plötzlich übermächtig. Es erinnerte ihn sogar an seine Sehnsucht nach der Erlösung von Stefanie. »Hey, wir sind Blutsbrüder!«
    »Oh ja! Aber die Idee der Blutsbrüderschaft war sicher anders gemeint…« Jo wischte demonstrativ über seine blutige Nase.
    »Es tut mir leid, ich schwöre, das war das letzte Mal.«
    »Scheiß drauf.«
    »Was willst du? Dass ich mich im Staub winde und winsele? Ja, ist es das? Okay, das kannst du haben!« Er warf sich in einiger Entfernung in den Sand und jammerte. »Helft mir, Leute, helft einem armen Unwissenden, erhellt meine Seele.« Dazu warf er Sand über sich und hustete erbärmlich.
    Jo musste

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