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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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über der Dusche auf.
    Er hätte nicht sagen können, warum, aber er wusste sofort, dass es Ärger einbringen würde, auch wenn er da noch keine Ahnung hatte, wie grauenhaft sich alles entwickeln würde.
    Das Blinken drang hinter dem Gitter hervor, hinter dem sich der Abzug befand, der die Feuchtigkeit aus dem fensterlosen dunkelbraun gekachelten Bad saugen sollte.
    Jo holte sich den Plastikhocker, stellte ihn in die Duschkabine, aber der Hocker war zu groß und passte nicht in die verkratzte Duschwanne. Deshalb nahm er die Wäschetonne aus Metall, kippte die Hälfte der Wäsche aus und hievte sie in die Duschkabine. Danach kletterte er auf den Holzdeckel. Jetzt erreichte er das Gitter knapp, aber es saß so fest in seiner Verankerung, dass es sich mit bloßen Händen nicht lösen ließ. Er überlegte einen Moment, stieg wieder von der Tonne und machte sich auf die Suche nach etwas, das ihm als Werkzeug dienen konnte. Endlich fand er einen Stielkamm, mit dem er sein Glück versuchte.
    Erst nach drei Anläufen bewegte sich das Gitter, dann schließlich schaffte er es.
    Es überraschte ihn nicht, es passte alles zusammen. Das Blinken stammte von einer Kamera und Jo wusste auch sofort, wer das hier drin angebracht hatte und warum. Sein sogenannter Vater. Angewidert stand er da in der Dusche und überlegte, was er jetzt tun sollte.
    Die Kamera abmontieren und sie der Frau vom Jugendamt geben? Aber was, wenn sein Pflegevater das vorher entdeckte? Und vermutlich würde die Kamera allein gar keinen Beweis darstellen.
    Nein, er müsste sie lassen, wo sie war, und die Filme finden, die damit gemacht worden waren.
    Draußen hämmerte es wieder an der Tür, aber Jo achtete nicht darauf. Die Filmaufnahmen mussten ja irgendwo gespeichert werden und so, wie er seinen Pflegevater einschätzte, hatte der das Material auf dem Computer, der unten in seinem Arbeitszimmer stand, das unter keinen Umständen von den Pflegekindern betreten werden durfte. Jo selbst hatte noch nicht erlebt, wie jemand diese Regel gebrochen hatte, das hatte nicht einmal Jan gewagt. Die Drohungen ihres Pflegevaters nahm jeder ernst.
    Jo brachte das Gitter wieder an und räumte das Bad auf. Er würde heute Nacht versuchen, sich in den Computer von dem Kerl zu hacken, spätestens um zehn Uhr hatte der so viel Bier intus, dass er vor dem Fernseher einschlief. Und das, was er fand, würde er gleich morgen anonym ans Jugendamt weiterleiten.
    Den ganzen Abend trieb er sich im Wohnzimmer herum, um zu beobachten, wie viel Bier sein Vater trank. Er brachte sogar unaufgefordert Biernachschub für seine Pflegeeltern, aber das war unvorsichtig, denn es machte seine Mutter misstrauisch. Sie wollte wissen, ob er Geld für die Schule brauchte oder sonst etwas haben wollte. Bevor sie sahen, wie er rot wurde, verzog er sich in sein Zimmer, das er jetzt mit Jan teilte. Jo warf sich auf sein ordentlich gemachtes Bett und starrte zu dem Bett seines Blutsbruders hinüber. Schon den ganzen Tag hatte er überlegt, ob er Jan einweihen sollte, aber etwas hielt ihn davon ab. Jan war so unberechenbar. Manchmal, aber solche Gedanken untersagte er sich immer wieder sofort, kam es ihm so vor, als ob Jan alles, was er anfasste, zerstörte. Neulich erst hatte er ihn auf sein Drängen hin mit zum Rudern auf den Main genommen, aber dann hatte Jan nur blöd herumgehampelt und zu guter Letzt sein gutes Ruderblatt an einem Uferstein zerbrochen. Oder vor drei Wochen, als Jan angeboten hatte, sich um seine Pflegeschwestern zu kümmern, von denen die jüngste erst neun war. Am Ende war es Jo gewesen, der dann alles wieder aufgewischt hatte, weil die drei sich ins Klo übergeben mussten. Und das nur, weil Jan ihnen zum Spaß Wodka in die Cola gemischt hatte. Nicht heimlich, nein, er hatte es den Schwestern gesagt und die hatten es wahnsinnig cool gefunden, zusammen mit dem älteren Bruder Alkohol zu trinken. Und die kleine grau getigerte Katze hatte Jo auch schon sehr lange nicht mehr gesehen, dafür hatte er beobachtet, wie Jan einen Zehner aus dem Geldbeutel ihrer Pflegemutter geklaut hatte. Jan hatte beschwörend den Finger auf seine Lippen gelegt. »Schmerzensgeld!«, hatte er ihm grinsend zugeraunt und Jo dann zu einem Eisbecher eingeladen. Aber ihm hatte dieses Eis nicht geschmeckt. Fade pappte es in seinem Mund, während er versuchte, mit Jan darüber zu sprechen, dass Diebstahl nicht okay war. Aber Jan hatte nur gelacht und ihm tausend Erklärungen entgegengeschleudert, warum er nichts

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