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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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hätte sich dabei nicht nur unsere nackte Haut berührt, sondern auch etwas in uns.« Seine Stimme versagt jetzt komplett. Obwohl ich auf der Hut vor weiteren Lügen bin, muss ich in sein Gesicht sehen. Seine türkisfarbenen Augen schimmern verdächtig, sein Adamsapfel bewegt sich hektisch, als müsste er dauernd schlucken, und seine Kiefermuskeln mahlen, als würde er sich auf die Zunge beißen, um sich zu beherrschen.
    Ich weiß es nicht, verdammt, ich weiß nicht, ob ich meinen Gefühlen je wieder trauen kann. Was, wenn er mir nur wieder etwas vorspielt, fragt mein Verstand. Aber mein geschundenes Herz möchte über den Kratzer auf seiner Wange streicheln, mein Herz möchte sagen, erzähl mir alles. Mein Herz möchte ihm glauben. Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll, schaue ihn nur an, wünsche mir, das alles wäre nie passiert.
    »Tu es endlich!« Er bricht die Stille. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«
    Ich greife nach seinem Handy. »Ich rufe Sebastian an«, sage ich entschieden, »ich muss wissen, was in der Zwischenzeit passiert ist.« Ehe er widersprechen kann, tippe ich Sebis Nummer ein, wohl wissend, dass er abgehört wird und man sofort unseren Standort finden wird. Diego nimmt mir das Handy ab, stellt es laut, weil er mithören will, und hält es mir dann wieder hin.
    Sebastian ist gleich dran, und bevor ich noch etwas sagen kann, legt er in rasendem Tempo los, als würde ich wieder auflegen oder ihm jemand das Telefon abnehmen. Was er erzählt, bringt mich völlig durcheinander.
    Gerade haben die Kidnapper sich wieder gemeldet. Es wurde ein Brief beim alten Schubert abgegeben. Sie wollen eine zweite Lösegeldübergabe und dieses Mal soll Sebastian das Geld übergeben. Er soll das Geld in einem schwarzen Rollkoffer an der Handgepäckaufbewahrung im Hauptbahnhof in Frankfurt abgeben und verschwinden. Natürlich keine Polizei. Und jetzt wird Sebi noch aufgeregter. »Lu, weil du kurz vor dieser Forderung aus dem Krankenhaus verschwunden bist, glaubt die Polizei, dass du mit Diego unter einer Decke steckst, um Geld von Christian zu erpressen. Sie haben einen Fingerabdruck auf dem Brief gefunden und der war von dir. Ich glaube, die denken, ich hänge auch mit drin.«
    Mir bleibt die Luft weg. Das ist unmöglich. Ich suche Diegos Blick, der auch total entgeistert aussieht.
    Völlig unmöglich.
    Sebi verhaspelt sich ständig, woran ich merke, dass mein Bruder große Angst hat. »Du musst sofort herkommen und diesen Irrtum aufklären. Die behandeln mich wie einen Verbrecher. Ich weiß ja, dass du unschuldig bist, deshalb musst du dich stellen, damit sie sehen, dass wir nicht mit drinhängen. Und falls du doch da mit drinhängen solltest«, er sagt das allen Ernstes, »dann ist ja klar, dass du es nur aus Liebe getan hast.«
    An der Stelle lege ich auf. Ich koche vor Zorn. Spinnt Sebastian jetzt völlig? Wie kann er so etwas auch nur eine Sekunde lang von mir, seiner eigenen Schwester, glauben?
    Ich sehe auf meine Hände, die zittern. Gedankenfetzen wirbeln mir durch den Kopf, ergeben aber keinen Sinn.
    »Wenn Jan die Entführung allein geplant hat, woher kommt dann diese zweite Lösegeldforderung? Er ist doch tot!«
    Diego sieht mich genauso ratlos an, wie ich mich fühle. »Keine Ahnung«, sagt er verzweifelt. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass Jan Ida in seiner Gewalt hatte.«
    Ich überlege. Bei Kidnapping kommt es vor, dass sich Trittbrettfahrer an die Sache hängen, um abzukassieren. Und die Entführung ist seit gestern Mittag in allen Medien breitgetreten worden. Aber wie erklärt sich dann mein Fingerabdruck auf diesem Brief? Das ist doch alles total verrückt.
    »Bist du wirklich sicher, dass Jan alleine gehandelt hat?«, frage ich noch einmal.
    »Jan und ein Komplize, das passt nicht. Er hatte kein Vertrauen. Zu niemandem außer zu mir. Alles andere wäre ihm zu riskant gewesen.«
    »Wieso riskant?«
    »Ein Komplize kann dich verpfeifen, reinlegen, mit der Beute allein abhauen oder durchdrehen und das Kind töten.«
    Diego macht mir Angst.
    »Ida. Wir müssen sie so schnell wie möglich finden.«
    Diego nickt. »An dieser Lösegeldforderung ist etwas faul. Vielleicht soll das nur von Ida ablenken.« Er fährt sich über das Gesicht, das mir plötzlich ganz grau vorkommt, und reibt seine müden Augen. »Was machen wir jetzt? Umdrehen und direkt zur Polizei nach Frankfurt fahren?«
    Wir sehen uns an. Ich weiß, dass ich Ida weder etwas antun noch meinen Bruder und Yukiko so quälen

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