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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Altenpflege in Görlitz ist, hat angeordnet, dass alles getan werden soll, um Frau Braun zu finden.
    Diego geht mit so großen Schritten voran, dass ich kaum hinterherkomme, er fliegt geradezu durch den Park. Er scheint genau zu wissen, wo er hinmuss, und während ich hinter ihm herstürme, kehren plötzlich all meine Zweifel an ihm zurück: Er war es, der hierher wollte, er hat behauptet, es gäbe keinen Trittbrettfahrer, er lockt mich zu dieser Jagdhütte, während der arme Sebastian das Lösegeld übergeben muss, und dann weiß er zufällig auch noch, in welchem Altersheim Frau Braun wohnt. Aber wenn das stimmt, wenn er mit drinhängt, dann weiß er auch, wo Ida ist. Ich renne schneller hinter ihm her.
    Jetzt erkenne ich, wo er hinwill. Zu dem kleinen See, der mit reichlich Bäumen und wild wucherndem Sträuchern und Bambus umpflanzt ist.
    »Jan mochte Orte am Wasser«, flüstert Diego, als ich ihn erreicht habe. »Er war völlig verrückt danach.«
    Der See ist zugewuchert, nur an einer Stelle gibt es einen Zugang zum Wasser, ein kleiner Steg, an dem ein Kahn angebunden ist. Und als wir näher kommen, sehe ich, dass zwischen den Sträuchern auch ein winziger Bootsschuppen verborgen ist. Das ist ein ideales Versteck. Ida, denke ich. Ida, gleich sind wir bei dir. Ich renne noch schneller, obwohl meine Narbe bei jedem Schritt wehtut. Ida!
    Frau Schneider schnauft wie ein Nilpferd, bleibt aber weit hinter uns zurück.
    Diego bleibt schwer atmend vor der Tür stehen, die merkwürdig schief in den Angeln hängt und an der sich braune Flecken befinden. Er achtet nicht darauf, sondern stößt sofort die Tür auf.
    Als sich meine Augen an das Halbdunkel des Schuppens gewöhnt haben, möchte ich sie gern wieder schließen und rausstürzen.
    Jemand hat hier wie ein Berserker gewütet, der Schrank, der an der Wand gegenüber von der Tür steht, wurde mit einem Beil oder einer Axt aufgebrochen, ringsum ist alles übersät mit Holzsplittern. Und Blut, überall sind Blutflecken.
    Was ist hier passiert?
    Ich gehe wie magnetisch angezogen näher zu dem so schrecklich verwundeten Schrank und spähe in das blutverschmierte Loch.
    Direkt in Augen.
    Tote Augen.
    Die Augen von Emil.
    Idas Emil. Dem verwaschenen Hasen, den wir am Flohmarkt verloren haben, den ich deshalb für Ida auf Reisen geschickt habe. Und jetzt sitzt Emil hier voller Blutflecken. Das ist kein Zufall. Gedanken rasen durch meinen Kopf.
    Ich habe Emil also nie verloren. Er wurde gezielt gestohlen. Schon an dem Tag, als wir auf dem Flohmarkt waren, hat jemand all das hier geplant. Ich erinnere mich nicht, dass Gohlis etwas in den Händen gehabt hätte, als er uns auf dem Flohmarkt verlassen hat. Also doch Diego? Aber Diego hatte auch keine Tasche dabei, seine Hände lagen auf dem ganzen Rückweg neben meinen auf der Schiebestange des Kinderwagens und später sogar auf meinen Händen.
    Klar ist, wie Jan die arme Ida vom Spielplatz weggelockt hat. Ein Polizist, der ihr sagt, er hat ihren Emil gefunden, welches Kind würde da zweifeln?
    Das wiederum bedeutet, Ida muss hier gewesen sein. All das Blut an Emil, das Blut am Schrank, an den Splittern, auf dem Boden. Ist das hier Idas Blut? Von wem soll es sonst sein, höhnt eine Stimme in meinem Kopf, von Superman?
    Frau Schneider steht jetzt keuchend neben mir. »Um Gottes willen, das ist ja fürchterlich. Oh mein Gott.«
    Mit versteinertem Gesicht kommt Diego zu uns. »Lu, siehst du das?« Er zeigt auf den Boden, wo eine Spur von dunklen Tropfen Richtung Tür verläuft. Ich schöpfe Hoffnung. Vielleicht konnte Ida fliehen, sich irgendwo verstecken, und wenn wir dieser Spur folgen, dann finden wir sie.
    Diego läuft voraus, nach draußen, wo jeder einzelne Blutstropfen in der Sonne auf dem gepflegten Rasen obszön dunkelrot leuchtet und noch viel besser zu erkennen ist als in dem dunklen Schuppen. Die Tropfen führen uns hinüber zum Steg, zu dem kleinen Ruderboot, das auf dem See hin und her schwankt.
    Dort endet die Blutspur. Aber kein Hinweis auf Ida oder auf Frau Braun oder sonst jemanden. Alles wirkt friedlich.
    Kein Windhauch geht über den See.
    Jan mochte Orte am Wasser.
    Meine Knie sind zu schwach, um mich weiter zu tragen, ich sacke auf dem Steg zusammen. Was ist passiert, wer hat hier mit so wahnsinniger Wut um sich gehauen? Wo ist überhaupt das Beil oder die Axt? Wurde Ida getroffen? Was für grauenhafte Angst sie gehabt haben muss! Die Götter und Geister, die ich vorhin angefleht habe, haben mich tatsächlich

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