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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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gleitet ihr das Beil aus der Hand, es poltert, und noch während es fällt, laufe ich zu Ida, drücke sie an mich, sie fühlt sich ganz kalt an. Panisch taste ich nach ihrem Puls. Da ist nichts, ich presse meine Hand fester an ihre Halsschlagader, will das nicht glauben, nein, nein, komm schon, Ida. Jetzt, nachdem ich sie gefunden habe, nachdem Jan sie nicht getötet hat oder sie verblutet im See liegt, muss sie leben.
    Diego kniet neben mir. »Lass mich das machen.« Er legt seinen Finger viel weiter oben an Idas Hals, dann stößt er erleichtert Luft aus. »Sie lebt!« Er nimmt Ida in die Arme, sie sieht so winzig aus und so blass. »Klettere über die Mauer, dann reiche ich sie dir rüber. Wir bringen sie nach oben und rufen den Notarzt.«
    Ich nicke, ich fühle mich jetzt wieder stark, voller Zuversicht, ich könnte Ida den Mount Everest hinauftragen. Diego wartet, bis ich über die Mauer geklettert, nein gesprungen bin, dann reicht er sie mir, ein schmales Bündel. Ich renne mit ihr hoch, suche ein Telefon, finde auch sofort eines, aber das ist abgestellt, doch fast gleichzeitig höre ich, wie Diego schon auf der Treppe in das Handy brüllt, dass wir einen Kindernotarzt in die Parkstraße brauchen, sofort und schnell.
    Wenig später taucht er mit der alten Frau oben auf, führt sie zu den Treppenstufen und hilft ihr, sich dorthin zu setzen. Dann rennt er raus, um dem Notarzt den Weg zu weisen.
    Ich setze mich neben Frau Braun mit Ida auf dem Schoß und streichele ihr über die Haare. Sie lebt! Seit Ida verschwunden ist, sind nur vierundzwanzig Stunden vergangen, aber es kommt mir so vor, als hätte es ein ganzes Leben gedauert.
    Frau Braun wird unruhig, nimmt mehrere Anläufe aufzustehen, bleibt dann aber doch sitzen und dann sagt sie: »Gewesen, gewesen.« Und es klingt wie die traurige abschließende Bemerkung eines Priesters bei einer Beerdigung.
    Ja, denke ich, das Grauen ist vorbei. Doch dann fällt mein Blick wieder auf Ida, die in meinem Arm liegt, bleich wie der Mond im Winter, unwillkürlich erinnert mich das an ihr Lieblingsmärchen, die Bambusprinzessin, die Tochter des Mondlichts, und macht mir Angst. Nein, denke ich, Ida, du bist aus Fleisch und Blut und du wirst überleben, du wirst hierbleiben auf der Erde, wo du hingehörst, und ich werde dafür sorgen.

Lu am Freitag, dem 8. Juni, 2012, 16 Uhr
    Ich durfte nicht mit ins Krankenhaus und musste hilflos mit ansehen, wie Ida hektisch abtransportiert wurde. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört, was mich vor Sorge fast wahnsinnig macht.
    Mein Flehen, mich bitte zu Ida zu lassen, stieß bei Kriminaldirektorin Rolfs auf Granit. Ihre Eltern sind jetzt bei ihr, meinte sie, und Ida sei deshalb in den besten Händen. Wir sitzen schon seit einer Stunde hier in dem gleichen kahlen Zimmer, in dem ich alles über Diego und mich aufgeschrieben habe, und ich sehne mich nach einer heißen Dusche und neuen Klamotten. Ich fühle mich mehr als unwohl in diesen viel zu großen und schmutzigen Polizeisachen. Außerdem bin ich müde und hungrig.
    Aber das ist Simone Rolfs herzlich egal und sie scheint sich auch nicht die Bohne dafür zu interessieren, wie sie selbst aussieht. Die roten Haare hängen fahl und strohig um ihren Kopf und sie wird nicht müde, mit mir wieder und wieder jedes Detail durchzugehen, das passiert ist, seitdem mich Diego aus dem Krankenhaus geholt hat. Es ist klar, bevor sie diesen Fall nicht aufgeklärt hat, geht hier niemand zum Duschen. Besonders genau will sie wissen, ab wann ich mit Diego zusammen war und wo wir überall gewesen sind. Ich verstehe das nicht. Ich dachte jetzt, nachdem Ida wieder da ist, ist alles vorbei. Aber da habe ich mich gründlich getäuscht.
    Sie hat Diego verhaftet, erst mal nur wegen Amtsanmaßung. Aber noch etwas ist in der Zwischenzeit passiert, was ich kaum glauben kann. Sie haben auch Sebastian verhaftet. Als ich wissen will, warum in Gottes Namen denn mein Bruder verhaftet wurde, hat die Rolfs nur mit der Schulter gezuckt, und deshalb habe ich verkündet, dass ich auch kein Wort mehr sprechen werde.
    Die Rolfs schaut mich lange an, dann fragt sie mich, tief seufzend und so, als ob sie in eine sauere Zitrone beißen müsste, ob ich denn wüsste, was passiert ist, während ich mit Diego unterwegs war.
    »Nur, dass es einen Trittbrettfahrer gegeben hat, der Lösegeld verlangt hat.«
    Frau Rolfs wirft den Kopf zurück und seufzt wieder. »Wie kommen Sie denn auf die Idee, es wäre ein

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