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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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verunsichern.
    »Wir können auch nicht ausschließen, dass Ihr Bruder Christian und Ihre Schwägerin Idas Entführung in Auftrag gegeben haben könnten.«
    Ich falle fast vom Stuhl. »Entschuldigen Sie, aber das ist doch total an den Haaren herbeigezogen!«
    »Nein, leider nicht. Die Geschäfte, die Ihr Bruder bei der Money-Bank tätigt, sind nicht ganz so rosig, wie es den Anschein hat.«
    Jetzt reicht es mir aber. Nach welchen Strohhalmen wollen die denn noch greifen? Dass es die spanische Mafia war, weil mein Vater zu einem süchtigen Pokerspieler auf Fuerteventura geworden ist?
    »Muss ich mir diese Verdächtigungen gegen meine Familie eigentlich anhören?«, frage ich. »Weil ich verhaftet bin?«
    »Sie sind nicht verhaftet und Sie können gehen. Ich dachte nur, Sie würden gern bei der restlosen Aufklärung dieses Verbrechens mitarbeiten. Ich kann und werde Sie nicht festhalten, ich habe im Augenblick keine konkrete Handhabe.«
    Ich stehe auf und gehe zur Tür. »Sie machen einen Fehler. Meine Familie ist nicht so mies, wie Sie denken.«
    Die Rolfs steht auch auf, müde und mit gebeugten Schultern. »Hören Sie mir auf mit dem heiligen Familiengesülze. Nirgendwo brodeln der Neid, die Liebe und der Hass schlimmer, nirgendwo wird schlimmer gemordet, gelogen und betrogen als in der Familie.«
    Und damit bin ich entlassen. Ich schleppe mich zum Ausgang, bitte um ein Taxi und fahre nach Hause, um zu duschen und mich umzuziehen. Und dann wird mich nichts und niemand mehr davon abhalten, Ida zu besuchen, auch wenn mir davor graut, in Yukikos Augen sehen zu müssen.

Lu am Freitag, dem 8. Juni 2012, 17:05 Uhr
    Mein kurzer Besuch zu Hause hat viel länger gedauert, als ich mir das vorgestellt habe. Es war so, als hätte ich meine allerletzte Energie in dem Gespräch – oder war es doch ein Verhör? – mit Frau Rolfs aufgezehrt. Meine Beine sind schwer und voller blauer Flecken, alles tut weh, mein Körper ist dumpf, als stünde ich immer noch unter Schlafmitteln, ich habe es kaum geschafft, mir die Haare zu waschen. Aber dann ist mir klar geworden, dass ich vielleicht nur etwas zu essen brauche und einen Kaffee.
    Tropfnass, nur im Bademantel, bin ich runter in die Küche, habe mir Kaffee gekocht und ein Leberwurstbrot geschmiert, und dann habe ich noch eine Nussschokolade gegessen, allerdings ohne Appetit, nur, um mich besser zu fühlen.
    Beim Anziehen habe ich mich zum ersten Mal getraut, die Wunde auf meiner Brust zu betrachten, rote Wulste, dort wo sie zweimal genäht werden musste, aber ich denke, dass es mir irgendwie recht geschieht, mich für immer an meine Unachtsamkeit erinnern wird.
    Ich überlege viel zu lange vor meinem Kleiderschrank, was ich anziehen soll. Ich will mich für Ida schön machen, wenn sie aufwacht, soll sie nicht erschrecken. Deshalb wähle ich mein selbst genähtes rosa geblümtes Lieblingskleid, das Kleid und die Leggings, die ich an dem Tag trug, als ich Diego das erste Mal getroffen habe.
    Dann merke ich, dass ich hier extra Zeit schinde, denn sosehr ich Ida sehen möchte, so groß ist meine Angst, Yukiko gegenüberzutreten.
    Nachdem ich das verstanden habe, trödele ich nicht länger herum, sondern rufe mir ein Taxi. Für den RMV bin ich noch viel zu zittrig.
    Das Krankenhaus kommt mir sehr vertraut vor, auch wenn ich heute in eine andere Abteilung muss. In die Kinder-Intensivbeobachtung.
    Frau Rolfs hat mir immerhin so viel gesagt, dass Ida lebt. Aber es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre gestorben. Schwere Dehydrierung mit beginnendem Volumenmangelschock lautet die offizielle Diagnose und ich hätte nicht geglaubt, dass man in derart kurzer Zeit an so etwas sterben kann. Aber bei einer zarten Dreijährigen kann das offenbar sehr schnell gehen. Ida hatte sich übergeben müssen und dann fast zweiundzwanzig Stunden nichts zu trinken bekommen. Die Ärzte mussten sie in ein künstliches Koma versetzen, um sie zu retten. Schon von Weitem sehe ich den Polizeibeamten, der vor dem Zimmer Wache zu halten scheint. Empörung ballt meine Fäuste zusammen, Frau Rolfs ist es offensichtlich wirklich Ernst damit, dass sie unsere Familie verdächtigt.
    Ich gehe an dem Beamten vorbei, der mich anscheinend kennt, denn er will keinen Ausweis sehen, und dann stehe ich in Idas Zimmer. Yukikos Kopf liegt neben Idas schmalem Körper, ihre Hände umfassen Idas Händchen. Als meine Schwägerin mich hört, hebt sie den Kopf. Sie sieht zum Fürchten aus. Ihre Augen sind verquollen, unter ihren Augen

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