Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
stickige Luft schien ihnen die Lunge zuzudrücken. Das unfreiwillige Verschwörerpaar ging über die Muschel- und Korallensplitter des Tarpon Drive und wirbelte bei jedem knirschenden Schritt grauweißen Staub auf. Ihre Gedanken behielten sie jeweils für sich, keiner von ihnen sah im anderen einen Verbündeten. Ihre Zweckgemeinschaft legte nahe, dass sie zusammenarbeiteten, und das war’s auch schon. Cowart hatte neben dem Haus geparkt, in dem er die Leichen gefunden hatte. Mit einem Foto von Ferguson aus dem Archiv der Zeitung gingen sie von Haus zu Haus.
Als sie beim dritten Haus klingelten, hatte sich eine Routine herausgebildet: Tanny Brown zückte seine Dienstmarke, Matthew Cowart stellte sich mit Namen vor. Dann hielten sie den Bewohnern das Foto unter die Nase und stellten eine einzige Frage: »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
Eine junge Mutter in einem dünnen gelben Trägerkleid, der die blonden Locken in die schweißgetränkte Stirn fielen und die ihr weinendes Baby auf der Hüfte trug, hatte beim Anblick des Bildes den Kopf geschüttelt. Zwei Jungen um die vierzehn, fünfzehn, die im Vorgarten an den Einzelteilen eines Außenbordmotors arbeiteten, hatten sich den Mann mit einem lebhaften Interesse angesehen, von dem ihr Lehrer in der Schule wohl nur träumen konnte, aber ebenfalls bescheinigt, den Mann noch nie gesehen zu haben. Ein Riese von einem Mann, der über dem Bierbauch zur ölverschmierten Jeans eine Denim-Jacke mit abgeschnittenen Ärmeln und über der Brust einen Harley-Davidson-Motorcycles-Aufnäher trug, hatte sich geweigert, mit ihnen zu sprechen. »Ich laber nich mit Cops. Ich laber auch nich mit Reportern un so, gibt nix, wo ich gesehen hab.« Er hatte ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen, so dass der dünne Alurahmen schepperte.
So nahmen sie sich systematisch Haus für Haus vor. Ein paar der Anwohner fragten zurück: »Wer ist der Bursche?«, und: »Wieso wollen Sie das wissen?«
Cowart merkte schnell, dass Brown darin versiert war, in solchen Fällen den Spieß herumzudrehen und mit einer Gegenfrage zu reagieren. Erkundigte sich jemand: »Hat das was mit diesem Doppelmord zu tun?«, hakte er nach: »Können Sie uns irgendetwas dazu sagen?«
Doch ausnahmslos gab es dann nur Kopfschütteln und ratlose Blicke.
Brown erkundigte sich außerdem bei allen, ob schon jemand vom Polizeirevier Monroe da gewesen sei, um sie zu befragen. Alle sagten ja. Alle konnten sich an eine junge Polizistin erinnern, die an dem Tag, als die Leichen entdeckt wurden, bei ihnen an der Tür geklingelt hatte – selbstbewusst und kurz angebunden. Doch niemand hatte etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört.
»Sie haben hier alles abgegrast«, murmelte Tanny Brown.
»Wer?«
»Ihre Freunde aus Monroe. Dasselbe hätte ich auch getan.«
Cowart nickte. Er betrachtete das Foto in seiner Hand, war jedoch nicht bereit, die Gedanken, die hinter der Gluthitze des Tages lauerten, in Worte zu fassen.
Der Kragen des Polizisten war nass. »Romantisch, was?«
Sie standen vor einem niedrigen Maschendrahtzaun und hatten einen verblassten, türkisblauen Wohnwagen mit einem rosafarbenen Plastik-Flamingo vor sich, der mit grauem Isolierband an die Tür geklebt war. Die Sonne schlug ihnen heiß von den Stahlseiten des Caravans entgegen. Ein einziges Klimagerät an einem Fenster mühte sich klappernd und surrend gegen die Hitze ab. Zehn Meter entfernt blickte ihnen, an einen schiefen, eingesunkenen Pfosten gekettet, ein braun gescheckter Pitbull misstrauisch entgegen. Matthew Cowart registrierte, dass der Hund trotz der Hitze das Maul geschlossen hatte, statt mit heraushängender Zunge zu hecheln. Er schien wachsam, aber nicht sonderlich interessiert zu sein, als ginge er selbstverständlich davon aus, dass niemand seine Autorität auf dem eingezäunten Gelände in Zweifel zog.
»Was?«, fragte Cowart.
»Polizeiarbeit.« Brown warf einen Blick auf den Hund und dann auf die Tür. »Die sollte man erschießen. Schon mal gesehen, was so ein Vieh mit Ihnen machen kann? Oder mit einem Kind?«
Cowart nickte. Pitbulls waren in Florida weit verbreitet. Im Süden hielten sich Drogendealer diese Beißmaschinen zu ihrem Schutz. Alte Männer züchteten sie in der Nähe des Okeechobeesees auf verrotteten, illegalen Farmen und richteten sie als Kampfhund ab. In Neubaugebieten erfreuten sie sich bei den Bewohnern wegen der Angst vor Einbrechern großer Beliebtheit, und wenn eins der possierlichen Tierchen einem
Weitere Kostenlose Bücher