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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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unbeirrbar Kurs auf die Brücke und seine Rettung.
    Was sie damals getan hatte, war verrückt gewesen. Mit wenigen Sätzen war sie an der Seite des Mannes, und mit einer einzigen, impulsiven Bewegung hatte sie die Rolle blockiert, so dass sich keine Schnur mehr abspulen konnte. »Werfen Sie sie über Bord, schnell, über Bord!« Der Mann hatte sie verwirrt angesehen, und sie hatte ihm die Rute aus der Hand gerissen und über die Bootswand geworfen. Der Fisch zog sie so schnell durchs Wasser, dass sie eine kleine Bugwelle bildete. »Was zum Teufel …«, hatte der Mann sie angefahren, doch in dem Moment hatte ihr Stiefvater das Boot in der Fahrrinne gedreht und war mit Vollgas unter der Brücke hindurchgedonnert, um auf der anderen Seite scharf beizudrehen.
    Sie sah ihren Stiefvater vor sich, wie er auf der Laufbrücke stand und in die zunehmende Dunkelheit starrte, bis er schließlich mit dem Finger auf eine Stelle im Wasser zeigte. Sie drehten sich um und entdeckten die Angelrute, deren Korkgriff etwa zwanzig Meter entfernt auf den Wellen schaukelte. Sie gingen längsseits, sie beugte sich über Bord und zog die Rute aus dem Wasser. Im selben Moment löste sie die Sperre an der Rolle. »Jetzt«, sagte sie zu dem Angler, »holen Sie ihn ein.« Der Mann hatte die Rute zu sich herangezogen und war in ein zufriedenes Grinsen ausgebrochen, als er das Gewicht am anderen Ende spürte. Der Tarpun, der immer noch am Haken hing, brach unter dem Schock und dem Schmerz des Hakens, der sich ihm erneut durch den Kiefer bohrte, durch die Oberfläche. Es war ein gewaltiger Sprung, der ihn hoch in die Luft schleuderte, so dass ihm das schwarze Wasser von den Seiten spritzte. Doch sie hatte gewusst, dass es das letzte Aufbäumen vor der Kapitulation war. Jedes Schütteln des Kopfes und Winden des Körpers zeigte, dass er besiegt war.
    Nach weiteren zehn Minuten hatten sie den Tarpun an der Bootswand vertäut und dann mit einem Gaff aus dem Wasser gezogen. Nach einer hektischen Reihe Siegerfotos hatten sie den Fisch wieder in die Wellen hinuntergelassen. Sie hatte sich über die Seite gebeugt, den Fisch gehalten und behutsam wiederbelebt. Doch bevor sie ihn in die Freiheit entließen, hatte sie ihm eine Silberschuppe von der Größe einer Münze abgezupft und sich in die Tasche ihrer Bluse gesteckt, während sie zusah, wie der Fisch langsam davonschwamm, bis nur noch seine Schwanzflosse wie eine Sense durch das warme Wasser pflügte.
    Ein kluger Fisch. Ein starker Fisch.
    Aber ich war klüger und somit stärker.
    Wieder hatte sie das Bild von Ferguson vor sich. Auch schon einmal am Haken gewesen, sagte sie sich zur Warnung.
    Das Flugzeug kam rumpelnd und holpernd zum Stillstand. Sie nahm ihr Handgepäck und strebte zum Ausgang.

    Der Kontaktbeamte bei der Polizei von Newark stellte zwei uniformierte Polizisten ab, die sie zu Fergusons Wohnung begleiten würden. Nachdem sie sich kurz miteinander bekannt gemacht und ein paar Höflichkeiten ausgetauscht hatten, fuhren die beiden Kollegen sie durch die Stadt zu der Adresse, die sie ihnen gegeben hatte.
    Shaeffer starrte auf Straßen, die aus einem von Dantes Höllenkreisen zu stammen schienen. Die Gebäude waren aus nachgedunkeltem Backstein und Beton und erhoben sich aus Dreck und Müll und Hilflosigkeit. Selbst die Sonne, die bis in die Straßenschlucht drang, wirkte grau. Endlos reihten sich kleine Läden aneinander – Kleidergeschäfte, Kreditstuben, Haushaltswaren, Möbelverleih klammerten sich mit ihren schmuddeligen Fassaden an die abfallübersäten Bürgersteige. Und überall schwarze Eisengitter, ein notwendiges Übel der Innenstädte. An jeder Straßenecke schienen Gruppen untätiger Männer, Gangs von Jugendlichen oder aufgetakelten Strichmädchen herumzulungern. Selbst die Imbissbuden mit ihren strengen Standards an Reinlichkeit und Ordnung wirkten schäbig und heruntergekommen, von ihren Pendants in den Vorstädten Welten entfernt. Die City erinnerte sie an einen Boxer, der bessere Zeiten gesehen hatte, der einen Kampf zu viel austrug und sich in der Endrunde taumelnd auf den Beinen hielt – weil er zu alt oder zu dämlich oder zu stur war, um zu Boden zu gehen.
    »Sie sagen, der Typ geht aufs College, Detective? Das muss ein Irrtum sein. Nicht in dieser Gegend«, sagte einer der Polizisten, ein wortkarger Schwarzer mit angegrauten Schläfen.
    »Behauptet zumindest sein Anwalt«, erwiderte sie.
    »In der Gegend hier lernen Sie was anderes: Hurerei, Zuhälterei,

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