Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
meldete sich jemand drinnen. »Wer ist da?«
»Polizei.«
Das Wort hing in der Luft und hallte von den Wänden. Ein paar Sekunden verstrichen.
»Was wollen Sie?«
»Ihnen ein paar Fragen stellen. Öffnen Sie die Tür.«
»Was für Fragen?«
Sie spürte, dass der Mann hinter der braunen Holztür nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war. »Machen Sie auf.«
Die beiden uniformierten Kollegen hinter ihr gingen in Stellung – aus der Schusslinie und einen Schritt zurück. Sie klopfte zum dritten Mal.
»Polizei«, wiederholte sie. Für den Fall, dass er sich weigerte aufzumachen, hatte sie keinen Plan.
»Na schön.«
Ihr blieb keine Zeit aufzuatmen. Sie glaubte, ein Stocken, ein gewisses Zögern in seinem Ton herauszuhören, wie bei einem Kind, das bei etwas Verbotenem ertappt wird. Vielleicht, dachte sie, hatte er sich, bevor er antwortete, kurz umgedreht und einen Blick auf seine Wohnung geworfen, um zu sehen, ob sie dort irgendetwas Verräterisches finden könnte. Beweise? Beweise wofür?
Dann hörte sie, wie mehrere Bolzenschlösser geöffnet und Sicherheitsketten ausgehängt wurden, bevor die Tür einen Spaltbreit aufging. Andrea Shaeffer starrte Robert Earl Ferguson ins Gesicht. Er trug Jeans, Turnschuhe und ein verblichenes bräunliches Sweatshirt, das ihm ein paar Nummern zu groß war und seinen Körperbau verbarg. Er hatte kurz geschnittenes Haar und war frisch rasiert. Der Zorn des Mannes traf sie mit solcher Wucht, dass sie beinahe zurückgewichen wäre. Er sah ihr mit einem grimmigen, durchdringenden Blick ins Gesicht.
»Was wollen Sie?«, fragte er. »Ich hab nichts verbrochen.«
»Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
»Kann ich Ihre Dienstmarke sehen?«, fragte er.
Shaeffer hielt sie ihm hin.
»Monroe County, Florida?«
»Ja. Shaeffer mein Name. Vom Morddezernat.«
Für eine Sekunde schien Ferguson zu versuchen, etwas aus seinem Gedächtnis hervorzukramen.
»Das ist südlich von Dade, oder? Am Rand der Glades?«
»Richtig.«
»Und was kann ich für Sie tun?«
»Darf ich reinkommen?«
»Zuerst will ich wissen, weshalb Sie hergekommen sind.«
In der Stille, die auf seine Frage folgte, schien Ferguson sie zu taxieren. Sie registrierte, dass sie fast gleich groß waren und dass er kaum kräftiger wirkte als sie selbst. Andererseits schien er der Typ zu sein, für den Körpergröße und Kraft nicht viel zählten.
»Dann kommen Sie also von weit her«, sagte er.
Er blickte ihr über die Schulter und funkelte die beiden Beamten an, die hinter ihr standen. »Und die beiden?«
»Sind von hier.«
»Haben Sie sich nicht allein hergetraut?« Er kniff unangenehm die Augen zusammen. Ihre Begleiter traten näher. Ferguson blieb im Türrahmen stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Unsinn«, wehrte sie ab, doch bei ihrer Antwort huschte ein kurzes, spöttisches Lächeln über sein Gesicht.
»Ich hab nichts getan«, wiederholte er in einem ausdruckslosen Ton wie ein Anwalt, der vor Gericht etwas zu Protokoll gibt.
»Hab ich auch nicht behauptet.«
Ferguson lächelte. »Aber Sie würden nicht den weiten Weg von Monroe County auf sich nehmen, nur um mich zu sprechen, wenn Sie keinen triftigen Grund hätten, nicht wahr?« Er machte einen Schritt zurück. »Also, kommen Sie meinetwegen rein und stellen Sie Ihre Fragen. Hab nichts zu verbergen.«
Den letzten Satz sprach er so laut, dass sich auch die beiden Polizisten aus New Jersey angesprochen fühlen mussten.
Sie betrat die Wohnung. Kaum war sie an ihm vorbei, verstellte Ferguson den beiden Beamten den Weg.
»Die Einladung gilt nicht für euch Gorillas«, sagte er schroff. »Nur für sie. Es sei denn, Sie hätten einen Durchsuchungsbeschluss.«
Shaeffer drehte sich erstaunt um und sah, dass die beiden Polizisten aus Newark gereizt waren. Es ging ihnen wie allen Cops gegen den Strich, sich von Zivilisten herumkommandieren zu lassen.
»Aus dem Weg«, sagte der Ältere.
»Ich denke nicht dran. Sie hat eine Frage. Sie kann reinkommen und sie stellen.«
Der Jüngere war kurz davor, Ferguson die Hand auf die Brust zu legen, um ihn aus dem Weg zu schubsen, besann sich aber eines Besseren. »Schon gut«, beschwichtigte Shaeffer die beiden, »ich komm schon klar.«
Die Männer zögerten.
»Das ist gegen die Vorschriften«, gab der Ältere zu bedenken und wandte sich an Ferguson. »Willst du mir dumm kommen, Mistkerl?«
Ferguson wich nicht von der Stelle.
Shaeffer machte eine kurze wegwerfende Handbewegung. Einen Moment herrschte
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