Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
geht mir absolut gegen den Strich, Sully zu glauben, selbst nach seinem Tod. Denn es gibt keinen besseren Trick, eine Morduntersuchung zu vermasseln, als absichtlich den Verdacht auf den Falschen zu lenken. Selbst wenn wir andere Verdächtige ausschließen können, wird irgendein Verteidiger genau diese Leute doch vor Gericht aufmarschieren lassen, und die Geschworenen wissen am Ende nicht mehr, was sie glauben sollen. Ich denke, Sully wusste das.«
    Wieder nickte sie vehement.
    »Aber da spricht aus mir wahrscheinlich nur die typische Paranoia des Polizisten«, fügte Weiss hinzu. »Hör mal, Andy, wenn wir diesen Kerl überführen, winken uns beiden Belobigungen und Gehaltserhöhungen. Und es ist sicher eine Starthilfe für deine Karriere, glaub mir. Komm also bald zurück und hol dir deinen Teil. Bis du da bist, mache ich mit den Befragungen weiter, dann fahren wir zusammen wieder runter in die Keys.«
    »In Ordnung«, sagte sie langsam.
    »Ich höre immer noch ein ›Aber‹ raus.«
    Sie war hin- und hergerissen. Der Enthusiasmus ihres Partners, sein bisheriger Erfolg steckte an, auch der Gedanke, bei dem wichtigsten Fall ihrer Laufbahn nicht dabei zu sein, spülte wie eine Woge ihre sämtlichen Ängste weg.
    Sie richtete sich kerzengerade auf und sah sich im Zimmer um. Es kam ihr so vor, als hätten sich die düsteren Gefühle, die sie niedergedrückt hatten, verflüchtigt, und so zweifelte sie einen Moment an ihren ursprünglichen Plänen. »Vielleicht sollte ich einfach meine Sachen packen und schnellstens nach Hause kommen.«
    »Also, das überlasse ich dir, hätte nichts dagegen. Auf jeden Fall hast du es hier deutlich wärmer. Frierst du da oben nicht?«
    »Es ist nass und kalt.«
    »Sag ich doch. Aber was ist mit diesem Ferguson?«
    »Ein übler Bursche, Mike«, sagte sie, ohne nachzudenken, »ein bösartiger Mensch.«
    »Also, ich sag dir was: Überprüfe seinen Stundenplan, stochere ein bisschen in seinem Leben herum, frag nach, ob dieses Alibi so wasserdicht ist, wie er behauptet, und dann befolge meinen Rat von eben und hak die Sache ab. Wenn du die Kollegen vor Ort auf ihn ansetzt, ist es keine Zeitvergeudung. Vielleicht ist da in Jersey was im Gange, kann man ja nie wissen. Und, wie gesagt, für ein, zwei Tage bin ich mit den Befragungen sämtlicher Leute, die in Sullivans Zeit hier im Todestrakt Dienst geschoben haben, voll ausgebucht. Unser Sergeant ist nur einer von vielen. Du weißt schon – Routinefragen, nichts, was ihn beunruhigen könnte. Gib ihm das Gefühl, dass unsere Mühlen langsam mahlen, und dann – zack! Aber ich warte, bis du hier bist. Stelle deine Neugier zufrieden, und dann komm her.«
    Nach einer wirkungsvollen Pause fügte er hinzu: »Siehst du, was für ein umgänglicher Chef ich bin? Ich schreie nicht, ich fluche nicht. Wer wollte sich da beklagen?«
    Sie legte auf und war ratlos. Sie dachte an den Moment, als ihre Mutter ihren alten Kombi mit ihren Habseligkeiten bis unters Dach vollgestopft hatte, sie selbst auf dem Beifahrersitz festschnallte und Chicago verließ. Es war an einem unwirtlichen Spätnachmittag gewesen, der Wind peitschte über den Lake Michigan. Es war eine Mischung aus Abenteuer und Verlust gewesen. Sie erinnerte sich noch ganz genau, wie sie gegen die Eiseskälte die Autotür zuschlug und in dieser Sekunde begriff, dass ihr Vater wirklich tot war und sie ihn nie wiedersehen würde. An dem Abend, als sie die Treppe heruntergekommen war und plötzlich in der Eingangsdiele einen Priester und zwei Polizisten hatte stehen sehen, die ihr nicht in die Augen sehen konnten, hatte sie die Nachricht, die sie brachten, nicht wirklich verstanden. Ebenso wenig während der Beerdigung, wo der einsame Dudelsackpfeifer seine herzzerreißende Totenklage spielte. Nicht einmal, als ihre Klassenkameraden sie mit dieser unverhohlenen, kindlichen Neugier angestarrt hatten. Nein, erst an diesem Nachmittag.
    Es gibt solche Einschnitte in der Kindheit, musste sie denken, und später immer wieder, wenn eine Situation glasklar und unabweisbar eine Entscheidung fordert. Und Konsequenzen. Die unwiderruflich das weitere Leben bestimmen. Sie stand vor einer solchen Entscheidung.
    Sie dachte an Ferguson. Sie sah ihn vor sich, wie er grinsend auf dem fadenscheinigen Sofa saß und sich innerlich über sie lustig machte.
    Wieso?, fragte sie sich erneut.
    Die Antwort sprang ihr im selben Moment ins Gesicht.
    Weil sie ihn zu dem falschen Mord befragt hatte.
    Sie legte sich aufs Bett und kam

Weitere Kostenlose Bücher