Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
nicht leugnen, dass sie nach all den Stunden kaum mehr über den Mann wusste als am Morgen. Im Gedränge der Studenten verflüchtigte sich nach und nach der Eindruck, den der Mann am Vorabend bei ihr hinterlassen hatte. Was treibst du hier eigentlich?, fragte sie sich immer öfter.
    Sie beschloss, in ihr Motel zurückzukehren, überlegte es sich im letzten Moment aber anders und machte sich auf die Suche nach dem letzten Dozenten. Falls sie bei ihm keine Antwort fand, würde sie nichts mehr davon abhalten, nach Florida zurückzukehren.
    Erst nachdem sie sich ein paar Mal verirrt hatte, fand sie sein winziges Büro, klopfte energisch an und trat zurück, als die Tür aufging und ihr ein untersetzter Mann mit altmodischer Brille und einer zerzausten, dunkelblonden Mähne gegenüberstand. Der Professor trug ein locker sitzendes Tweedjackett mit einem Dutzend Kugelschreibern in der Brusttasche, von denen einer offenbar ausgelaufen war. Die Krawatte hatte er am Kragen gelockert, während ein ansehnlicher Bauch den Gürtel seiner Cordhose dehnte. Er machte den Eindruck eines Mannes, der gerade von einem Nickerchen in voller Montur aufgewacht war; nur seine Augen waren hellwach und erfassten die Polizistin an seiner Tür mit einem Blick.
    »Professor Morin?«
    »Sind Sie eine Studentin?«
    Sie zückte ihre Dienstmarke, und er musterte diese. »Ah, aus Florida?«
    »Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    »Selbstverständlich.« Er trat zur Seite und bat sie mit einer stummen Geste herein. »Ich hatte mit Ihnen gerechnet.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, sagte er, während sie seiner Aufforderung folgte und eintrat.
    Sie sah sich in der drangvollen Enge um. An einer Wand standen Bücherregale, an einer anderen ein kleiner Schreibtisch mit einem Computer. Die verbleibenden Freiflächen bedeckten mit Tesafilm befestigte Zeitungsausschnitte; drei leuchtend bunte Aquarelle mit Blumen bildeten den einzigen Kontrast zu der schmuddeligen Trübseligkeit des Raums. »Woher wussten Sie von mir?«
    »Er hat mich angerufen. Sagte, Sie würden seine Aussagen überprüfen.«
    »Und?«
    »Also«, sprudelte der Professor los wie jemand, dem man gerade einen Knebel vom Mund genommen hatte, »an Mr. Fergusons regelmäßiger Teilnahme ist nichts auszusetzen. Tadellos, besonders in dem Zeitraum, für den Sie sich, wie er sagt, interessieren.«
    Er sackte in einen Schreibtischsessel, der unter seinem Gewicht bedenklich vibrierte.
    »Ich hoffe, damit eventuelle Zweifel oder Missverständnisse in Bezug auf Mr. Ferguson ausräumen zu können.«
    Der Professor lächelte und zeigte ein strahlend weißes, ebenmäßiges Gebiss, das zu seiner übrigen Erscheinung in seltsamem Widerspruch stand. »Er ist ein ausgesprochen guter Student, wissen Sie. Ziemlich konzentriert, eifrig, das schreckt manche Leute ab. Absoluter Einzelgänger, kein Wunder, nach der Zeit im Todestrakt. Ja, fokussiert und konzentriert, mit Leidenschaft für die Sache. Das sieht man nicht allzu oft. Ein bisschen unheimlich vielleicht, man kann es aber auch als stimulierend empfinden. So wie Gefahr, nehme ich an.«
    Professor Morins Mitteilungsdrang war noch lange nicht versiegt. »Selbst die Polizisten, die bei uns Seminare belegen, haben oft nichts anderes im Sinn als einen Anschub für ihre Karriere, sie sammeln Qualifikationen, um weiterzukommen. Mr. Ferguson dagegen ist eher der wissenschaftliche Typ.«
    Es gab einen einzigen harten, unbequemen Stuhl in einer Ecke, eine unverhohlene Mahnung an die Studenten, ihre Anliegen kurz zu fassen und ihren Aufenthalt im Büro auf das absolut Notwendige zu beschränken.
    Sie nahm darauf Platz.
    »Sie kennen Mr. Ferguson gut?«, fragte sie.
    Der Professor zuckte die Achseln. »So gut, wie man einen Studenten eben kennt. Das heißt, doch, eigentlich schon, er ist ein interessanter Mann.«
    »Inwiefern?«
    »Na ja, mein Seminar befasst sich mit ›Medien und Verbrechen‹, und er verfügt auf diesem Gebiet naturgemäß über einige Erfahrung.«
    »Und daraus folgt?«
    »Nun, er wurde schon häufig um seine Meinung gefragt, und was er zu sagen hat, ist immer, nun ja, faszinierend. Schließlich hat man nicht alle Tage jemanden im Seminar sitzen, der aus eigener Anschauung etwas dazu beitragen kann. Und der ohne das Eingreifen der Medien vielleicht auf dem elektrischen Stuhl gelandet wäre.«
    »Cowart.«
    »Ja. Matthew Cowart vom Miami Journal. Hat ihm einen Pulitzer eingebracht, wohl verdient, wenn Sie mich fragen. Exzellente

Weitere Kostenlose Bücher