Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
er.
Ferguson schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob Sie genug über den Tod und über das Sterben wissen, um zu so etwas fähig zu sein. Aber eins kann ich Ihnen jetzt schon sagen.«
»Und was?«
»Jetzt bekommen Sie eine leise Ahnung davon, was es bedeutet, im Todestrakt zu leben.«
Ferguson stand auf, beugte sich vor und öffnete die Klappe des Rekorders. Er holte die Kassette heraus und steckte sie in die Tasche. Dann nahm er den Kassettenrekorder vom Tisch. Mit einem Ruck warf er das Gerät dem Reporter zu, der es auffing, bevor es auf dem Boden zerbrach.
»Das Interview«, sagte Ferguson kalt, »hat nie stattgefunden. Diese Worte sind nie gefallen.« Im Flüsterton fügte er hinzu: »Was für eine Story wollen Sie denn schreiben?«
Cowart schüttelte den Kopf.
»Was für eine Story?«
»Keine Story«, antwortete er mit brüchiger Stimme.
»Dachte ich mir«, erwiderte Ferguson und fügte hinzu: »Da ist die Tür.«
Cowart kämpfte gegen das Schwindelgefühl in seinem Kopf an und stolperte in den Flur. Nur vage bekam er mit, wie die Tür hinter ihm zufiel und die Riegel vorgeschoben wurden. Im dunklen Treppenhaus schlug ihm abgestandene, nasskalte Luft entgegen; er griff sich an den Kragen, um ihn aufzuknöpfen und durchzuatmen. Irgendwie schaffte er es die Treppe hinunter, riss die Haustür auf und war mit wenigen Sätzen auf der Straße. Der strömende Regen traf ihn im Gesicht und durchnässte das Jackett. Er blickte sich nicht noch einmal zu der Wohnung um, sondern rannte los, als könnte der Wind, der ihm entgegenschlug, die Angst und die Übelkeit vertreiben. Er sah, wie Tanny Brown auf der Fahrerseite ausstieg und ihm gespannt entgegenblickte. Cowart keuchte und machte ihm Zeichen, wieder einzusteigen. Kaum hatte er den Wagen erreicht, riss er die Beifahrertür auf und stürzte hinein.
»Bloß weg hier«, flüsterte er.
»Was ist passiert?«, fragte Brown.
»Nichts wie weg!«, brüllte Cowart. Er beugte sich zu Brown hinüber und griff nach dem Zündschlüssel. Der Motor heulte auf. »Los, worauf warten Sie! Fahren Sie los!«
Tanny Brown sah ihn zwar verblüfft, doch mitfühlend an. Er legte den Gang ein und fuhr los. Am nördlichen Ende der Straße hielt er noch einmal an und kurbelte neben dem anderen Auto, in dem Wilcox und Shaeffer saßen, das Fenster herunter.
»Bruce, bleibt ihr beide hier und observiert Fergusons Wohnung.«
»Wie lange?«
»Behaltet sie einfach im Auge.«
»Wo wollt ihr hin …«
»Lasst Ferguson nicht entwischen.«
Wilcox nickte.
Cowart hämmerte auf das Armaturenbrett. »Los, Mann! Ich will hier weg!«
Tanny Brown gab Vollgas, und sie ließen die anderen beiden Detectives einigermaßen ratlos zurück.
23
Detective Shaeffers
Versagen
D ie beiden Detectives verbrachten den größten Teil des Tages einen halben Häuserblock von Fergusons Wohnhaus entfernt im Auto. Ihre Observation war ziemlich offensichtlich, so dass bereits eine Stunde nach Browns und Cowarts Abfahrt in einem Radius von zwei Häuserblocks nicht nur jeder Kleinkriminelle, sondern auch jeder ganz normale Anwohner die Polizeipräsenz zur Kenntnis genommen hatte. Von den meisten wurden sie ignoriert.
Ein kleiner Drogendealer fluchte laut, weil sie ihm seinen Umschlagplatz in einer kleinen Nebenstraße versperrten und ihn zwangen, sich nach einem neuen Standort umzusehen. Zwei Mitglieder einer Straßengang mit Jacken und Stirnbändern aus geprägtem Leder, passend zu den angesagten, teuren knöchelhohen Basketballschuhen, blieben neben ihrem Leihwagen stehen und verspotteten sie mit obszönen Gesten. Als Wilcox das Fenster herunterkurbelte und ihnen zurief, sie sollten gefälligst verschwinden, lachten sie ihn nur aus und äfften mit gnadenlosem Vergnügen und kaum verhohlener Drohgebärde seinen Südstaatenakzent nach. Zwei Prostituierte mit hochhackigen roten Schuhen zu paillettenbesetzten Hotpants unter ihren glänzend schwarzen Regenmänteln brachten sich mit den branchenüblichen Posen in Stellung, als vertrauten sie darauf, dass die Ordnungshüter wegen ihresgleichen keinen Finger rühren würden. Mindestens ein halbes Dutzend obdachloser, verwahrloster Gestalten, die ihre allgegenwärtigen, randvoll mit Ramsch und Plunder gefüllten Einkaufswagen vor sich herschoben oder einfach nur durch den nassen Tag stolperten, klopften an ihre Fenster und baten sie um Geld. Andere waren so mit ihrem unsichtbaren Partner ins Gespräch vertieft, dass sie auf ihrem Weg nichts
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