Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
anderes registrierten.
Der unablässige Nieselregen reduzierte das Straßenleben auf ein Minimum; wer konnte, blieb zu Hause, hinter vergitterten Fenstern und dreifach verriegelten Türen. Unter den bleischweren Wolken und den Regenschwaden schien die vergangene Nacht nicht weichen zu wollen.
Mehr als einmal hatte einer der Detectives den anderen gefragt: »Was zum Teufel ist da drinnen nur mit Cowart passiert?« Doch in ihrem Wagen, abgeschnitten von der Außenwelt, fanden sie keine Antwort. Wilcox war zu einem Münzfernsprecher an der Ecke gegangen und hatte ohne Erfolg versucht, die beiden Männer im Motel zu erreichen. Da sie – abgesehen von Browns Anweisung – vollkommen im Dunkeln tappten über das, was zwischen Ferguson und Cowart vorgefallen war, fügten sie sich in die Beschatterrolle und ließen in lähmender Langeweile die Stunden verstreichen. An einer Imbissbude besorgten sie sich etwas zu essen, tranken dazu lauwarmen Kaffee aus Plastikbechern, wischten immer wieder die beschlagene Windschutzscheibe trocken, um etwas sehen zu können. Jeder von ihnen war zweimal zu einer ölverschmierten Tankstelle zwei Kreuzungen weiter gelaufen, um dort die Toiletten zu benutzen, aus denen ihnen ein stechender Gestank aus Desinfektionsmitteln und Exkrementen entgegenschlug. Ihre Unterhaltung hatte sich auf ein paar halbherzige Versuche beschränkt, Gemeinsamkeiten in ihren Interessen und beruflichen Erfahrungen zu finden, bis sie nach wenigen Minuten jedes Mal in umso längeres Schweigen verfallen waren. Sie hatten ein wenig über Ermittlungstechniken und über die regionalen Unterschiede der Verbrechen zwischen dem Panhandle und den Keys gesprochen, obwohl sie beide wussten, wie geringfügig diese ausfielen. Shaeffer hatte ihren Kollegen außerdem zu Brown und Cowart befragt, doch schnell begriffen, dass er seinen Chef so vergötterte, wie er den Journalisten verachtete, ohne seine jeweilige Einschätzung nachvollziehbar begründen zu können. Sie hatten über Ferguson spekuliert, wobei Wilcox ihr über den früheren Häftling einiges erzählen konnte. Sie hatte ihn nach dem Geständnis gefragt, und er hatte ihr erklärt, bei jedem Schlag gegen den Verdächtigen hätte er das Gefühl gehabt, ein bisschen Wahrheit aus ihm herauszuschütteln, so wie Früchte von einem Baum. In seinen Worten schwangen weder Bedauern noch Schuldgefühle mit, sondern nur eine unterschwellige Wut, die sie erstaunte. Wilcox erschien ihr als ein sprunghafter Mann, im Unterschied zu dem riesigen Lieutenant, seinem Partner. Wilcox ging vermutlich leicht in die Luft, Tanny Brown wirkte kühler, souveräner. Kein Wunder, dass er es sich nicht verzeihen konnte, seinem Untergebenen ermöglicht zu haben, den Verdächtigen mit Gewalt zum Geständnis zu zwingen. Vermutlich war es eine momentane Verirrung gewesen, die ihm einen verborgenen Wesenszug vor Augen führte, eine Neigung, die er an sich hasste.
Von Ferguson war weit und breit nichts zu sehen, vielleicht nicht weiter verwunderlich, denn es lag nahe, dass er von ihrer Präsenz wusste.
»Wie lange sollen wir eigentlich hierbleiben?«, fragte Shaeffer am späten Nachmittag. Die Straßenlaternen richteten gegen die zunehmende Dunkelheit nur wenig aus. »Er hat den ganzen Tag seine Wohnung nicht verlassen, es sei denn, es gäbe noch einen Hinterausgang, was anzunehmen ist. Wahrscheinlich hat er sich längst aus dem Staub gemacht und lacht sich über uns kaputt.«
»Noch ein bisschen«, sagte Wilcox. »So lang wie nötig.«
»Was machen wir hier eigentlich?«, beharrte Shaeffer. »Ich meine, was soll das bringen?«
»Es geht darum, ihm zu zeigen, dass wir ihn im Fadenkreuz haben. Es geht darum, dass Tanny Brown gesagt hat, wir sollen Ferguson observieren.«
»Verstehe«, antwortete sie und fügte im Stillen hinzu: aber nicht bis in alle Ewigkeit. Die Zeit schien im Zeitlupentempo zu vergehen. Sie wusste, dass sich Michael Weiss fragte, wo sie blieb, und dass sie sich einen triftigen Grund dafür einfallen lassen musste, wieso sie immer noch in New Jersey war. Einen guten, hieb- und stichfesten dienstlichen Grund.
Shaeffer taten vom Stillsitzen allmählich alle Glieder weh, und so streckte sie die Arme und drückte die Beine gegen die Spritzwand des Wagens.
»Ich hasse das«, sagte sie.
»Was? Observieren?«
»Ja, einfach nur dazusitzen und zu warten. Nicht mein Stil.«
»Was ist denn Ihr Stil?«
Sie antwortete nicht. »In ungefähr zehn Minuten ist es dunkel. Zu dunkel.«
»Ist es
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