Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
doch jetzt schon.«
Wilcox zeigte zum Eingang des Wohnblocks, ohne etwas zu sagen.
Shaeffer schaute sich in der Umgebung des Wagens um. Die Straße sah so aus wie die Regenmäntel der beiden Prostituierten, die sie am Morgen angepöbelt hatten – glitzernd, glitschig und irgendwie synthetisch, fast wie an einem Filmset in Hollywood, real und surreal zugleich. Ohne jeden Grund lief ihr ein Schauder über den Rücken.
»Ist was?«, fragte Wilcox, der die Bewegung aus dem Augenwinkel heraus mitbekommen hatte.
»Nein«, erwiderte sie hastig. »Nur ein bisschen Gänsehaut, die Gegend hier reicht einem schon bei Tage.«
Er suchte die Straße in beide Richtungen ab.
»Zu Florida ein Unterschied wie Tag und Nacht«, sagte er. »Als ob man in einer Höhle lebte.«
»Oder einer Zelle«, fügte sie hinzu.
Ihre Tasche hatte sie zwischen die Beine auf den Boden gestellt. Es war ein großer Lederbeutel, fast wie ein Rucksack. Mit der Fußspitze gelang es ihr, den Beutel am oberen Ende ein wenig zu öffnen, so dass sie den Inhalt sehen und sich vergewissern konnte, dass alles noch da war: Notizbuch, Kassettenrekorder, Ersatzkassetten, Brieftasche, Dienstmarke, ein kleines Make-up-Etui, die halbautomatische Neunmillimeter-Pistole plus zwei zusätzliche Magazine mit Wadcutterpatronen. Wilcox hatte sich wohl auch einen kurzen Einblick in ihre Ausrüstung verschafft. »Also, mir ist der kurzläufige Drei-siebenundfünfziger immer noch am liebsten«, sagte er grinsend. »Passt bequem unter die Jacke. Mit ’ner Magnum-Patrone bringen Sie locker einen Bären zur Strecke.«
Erneut spähte er in die Dunkelheit, die sich über ihren Wagen legte. »Und jede Menge Bären in der Gegend.« Er tätschelte sein Jackett über der linken Brust.
In der Ferne heulte eine Sirene auf wie eine läufige Katze. Sie wurde lauter, kam näher und verhallte. Sie bekamen nicht einmal die dazugehörigen Lichter zu sehen.
Wilcox rieb sich einen Moment die Augen. »Was glauben Sie? Was haben die beiden gemacht, während wir hier sitzen?«, fragte er.
»Keine Ahnung«, griff sie den Gedanken auf. »Ich schlage vor, dass wir hier schleunigst verschwinden. Die Gegend geht mir allmählich auf die Nerven.«
»Allmählich?«
»Sie wissen, was ich meine.«
Für einen Moment machte sie aus ihrer Wut kein Hehl. »Mein Gott, sehen Sie sich doch nur an, wo wir hier gelandet sind! Kommt mir vor wie ein Höllenschlund, der sich unter uns auftun wird und uns verschlingt. Selbst diese beiden Stadtpolizisten, die mich gestern begleitet haben, waren alles andere als erfreut, hierherzukommen, dabei war einer von ihnen ein Schwarzer.«
Wilcox nickte seufzend.
Unausgesprochen waren sie sich schon den ganzen Tag über einig, dass ihre Situation prekär war: zwei Südstaaten-Cops außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, auf unbekanntem Terrain.
»Meinetwegen«, sagte Wilcox gedehnt und ließ dabei den Blick noch einmal die ganze Straße entlangwandern. »Wissen Sie, was ich wirklich deprimierend finde?«, fragte er.
»Nein, was?«
»Hier sieht alles so alt aus, alt und verbraucht.« Er zeigte durch die Windschutzscheibe auf die Straße, ins Nichts.
»Wie tot«, sagte er. »Alles irgendwie tot.«
Ohne seine Bemerkung näher zu erläutern, blieb er bewegungslos sitzen und starrte in die fremde Welt.
»Auch wenn ich nicht weiß, wie, glaube ich fast, der durchschaut, was hier läuft, und ist uns immer ein, zwei Schritte voraus.« Es klang wütend, selbst im Flüsterton.
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen«, erwiderte Shaeffer. »Was durchschaut er? Und wie kann er uns voraus sein?«
»Wenn ich mir den Kerl nur noch ein einziges Mal vorknöpfen könnte«, fuhr Wilcox fort, als hätte er ihre Fragen nicht gehört. »Nur eine zweite Chance. Diesmal käme der mir nicht so billig davon.«
»Ich weiß immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen«, sagte sie, erschrocken über seinen eiskalten Ton.
»Ich würde ihm zu gerne noch mal von Mann zu Mann allein in einem kleinen Raum gegenüberstehen. Dann wollen wir doch mal sehen, ob er noch mal davonkommt.«
»Sie müssen wahnsinnig sein.«
»Stimmt. Wahnsinnig sauer, Sie haben es erfasst.«
Sie sackte wieder auf ihrem Sitz zurück. »Lieutenant Brown hat uns klare Anweisungen gegeben.«
»Sicher, und wir haben sie befolgt.«
»Also, worauf warten wir noch? Lassen Sie uns von hier verschwinden.«
Wilcox schüttelte den Kopf. »Nicht, bevor ich den Bastard gesehen habe. Nicht, bevor er weiß, dass ich hier draußen
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