Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
auf ihn warte.«
Shaeffer wedelte energisch mit der Hand. »So kommen Sie dem Burschen nicht bei«, sagte sie. »Oder wollen Sie, dass er türmt?«
»Sie haben noch nicht ganz kapiert, worum es hier geht, oder?«, erwiderte Wilcox mit zusammengebissenen Zähnen. »Haben Sie schon mal einen Fall verloren? Wie lange sind Sie schon beim Morddezernat? Wahrscheinlich noch nicht lange genug. Sie hatten noch keinen, der Sie austrickst wie Ferguson, oder?«
»Nein«, sagte sie, »und ich werde alles daran setzen, dass es nicht dazu kommt.«
»Sie haben gut reden.«
»Sicher, aber ich weiß immerhin genug, um einen Fehler nicht zu wiederholen.«
Wilcox hatte schon eine wütende Antwort auf den Lippen, doch er schluckte sie herunter und nickte. »Sie haben ja recht«, sagte er und holte tief Luft. »Sie haben ja recht.«
Langsam lehnte er sich wieder zurück, als verebbte die Woge der Erinnerung, mit der die Emotionen hochgeschwappt waren. »Schon gut, schon gut, schon gut«, sagte er. »Bringt nichts, das Blatt zu früh auszuspielen.«
Shaeffer wartete darauf, dass er endlich den Motor startete und losfuhr. Und tatsächlich streckte Wilcox die Hand nach der Zündung aus und legte die Finger um den Schlüssel, als er jäh erstarrte und wie gebannt durch die Windschutzscheibe blickte.
»Scheißkerl«, sagte er leise.
Sie sah erschrocken auf.
»Da vorne ist er«, flüsterte Wilcox.
Für Sekunden sah sie durch die beschlagene Scheibe draußen alles nur verschwommen, doch dann erkannte auch sie die Gestalt.
Nur für einen Moment war er auf der obersten Treppenstufe stehen geblieben, so wie es fast jeder tut, bevor er sich in die nasskalte Nacht begibt. Sie sah, dass er Jeans und eine lange, blaue Jacke trug, dazu eine Tasche über der Schulter. Gegen den Nieselregen zog er die Schultern ein, kam zügig die Treppe herunter und lief, ohne ein einziges Mal zu ihnen herüberzusehen, in die entgegengesetzte Richtung.
»Verdammt!«, sagte Wilcox. Er hatte den Zündschlüssel losgelassen und griff nach der Tür. »Ich geh hinterher.«
Bevor sie protestieren konnte, gehorchte er seinem unbändigen Impuls. Er sprang hinaus und knallte die Tür hinter sich zu, um die Verfolgung aufzunehmen.
Shaeffer beugte sich über den Fahrersitz und erwischte Wilcox an einem Zipfel seiner Jacke; als er sich losriss, zog sie den Zündschlüssel heraus und versuchte, aus dem Wagen zu kommen und ihm zu folgen. Ihre Tür war verriegelt, sie zog zunächst vergeblich am Griff. Ihre Handtasche verhakte sich zwischen ihren Füßen am Sitzhebel; sie schien bleischwer. Dann verfing sich Shaeffer mit den Kleidern am Sitzgurt, und als sie endlich die Füße aufs Pflaster setzte, rutschte sie aus. Sie erkannte, dass sie rennen musste, wenn sie Wilcox einholen wollte, denn er hatte bereits zwanzig Meter Vorsprung und machte große Schritte.
Die Tasche in einer Hand, die Autoschlüssel in der anderen, rannte sie ihrem Kollegen fluchend hinterher. Noch einmal zehn Meter, und sie hatte ihn eingeholt.
»Was soll das, verdammt noch mal?«, rief sie und packte ihn am Arm.
Er riss sich frei. »Ich verfolge den Bastard nur ein Stück! Lassen Sie mich los!«
Im Laufschritt heftete er sich Ferguson wieder an die Fersen.
Keuchend blieb sie einen Moment stehen und holte Luft. Als er nicht daran dachte, umzukehren, setzte sie zum nächsten Sprint an. Wenig später war sie an seiner Seite und sah, wie Ferguson einen halben Block vor ihnen ebenfalls ein zügiges Tempo vorlegte, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen. Er stapfte zielstrebig durch die Dunkelheit und schien sie nicht zu bemerken.
Zum zweiten Mal packte sie Wilcox am Arm.
»Lassen Sie los, verflucht noch mal!«, sagte er und löste sich ärgerlich aus ihrem Griff. »Ich verlier ihn noch!«
»Wir haben nicht den Auftrag …«
Wutschnaubend drehte er sich einen Moment zu ihr um. »Holen Sie den verdammten Wagen! Bleiben Sie auf meiner Höhe, fahren Sie hinter mir her, aber kommen Sie mir ja nicht noch mal in die Quere!«
»Was haben Sie in Gottes Namen vor?«, fragte sie ein wenig zu laut.
Er winkte nur ab, wandte sich wieder nach vorn und begann zu joggen, um Ferguson einzuholen.
Shaeffer wusste nicht, was sie machen sollte. Sie sah Wilcox auf seiner unbeirrbaren Verfolgungsjagd und ein gutes Stück weiter vorn Ferguson um die Ecke verschwinden. Im selben Moment legte Wilcox noch einmal zu.
Sie murmelte ein paar Verwünschungen, machte kehrt und rannte, so schnell sie konnte, zum Wagen
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