Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
die unbrauchbare rechte Hand hinzu, um dem Mann einen eisernen, tödlichen Ring um den Hals zu legen. Wilcox ächzte vor Anstrengung.
Ich hab dich, du Bastard, dachte er.
Der Feuerstrahl traf ihn ins Herz.
Er wusste nicht, was ihm diese Höllenqual bereitete und ihm das Leben nahm, wusste nicht einmal, wer. Er wusste nur, dass ihm etwas den Magen aufgeschlitzt hatte und sich nach oben in sein Herz fraß. Bei aller unermesslichen Qual erfasste ihn Panik. Seine Hände lösten sich vom Hals des Mörders, sackten auf seinen Oberkörper, tasteten nach dem Griff des Messers, das den Kampf entschieden hatte. Wie von ferne hörte er das leise Stöhnen, das seinen Lippen entwich, dann sackte er reglos auf den nassen Boden.
Er merkte es nicht mehr, doch bis zu seinem letzten Röcheln vergingen fast neunzig Sekunden.
24
Die Büchse der Pandora
S ie war vollkommen allein.
Andrea Shaeffer spähte die menschenleeren Straßen hinunter und suchte in den regennassen, düsteren Schluchten nach irgendeinem Lebenszeichen ihres Begleiters. Es kam ihr vor, als schreite sie dieselbe Route zum hundertsten Mal ab, doch so verzweifelt sie sich um irgendeine plausible Erklärung für sein Verschwinden bemühte, schwand die Hoffnung mit jeder erneuten Runde. Alle Spekulationen, die ihr durch den Kopf schwirrten, wehrte sie mit Flüchen und Verwünschungen ab, als sei ihr Unvermögen, den Mann aufzuspüren, nichts weiter als eine Unannehmlichkeit.
Sie trat an eine Straßenlaterne und lehnte sich mit dem Rücken daran. Selbst der Anblick eines Streifenwagens der Polizei von Newark wäre ihr willkommen gewesen, doch es war keiner zu sehen. Die Straßen blieben gähnend leer. Das ist verrückt, dachte sie. Es ist nicht spät, gerade erst dunkel geworden. Wo stecken denn alle? Es regnete immer stärker, der Himmel öffnete alle Schleusen. Als sie endlich an einer Straßenecke eine Frau entdeckte, die dort missmutig ihrem Gewerbe nachging, war sie fast froh, ein menschliches Wesen zu sehen. Die Frau lehnte an einer Hauswand und versuchte, sich vor den Elementen zu schützen, statt an einem solchen nasskalten Abend einen Freier an Land zu ziehen. Andrea Shaeffer näherte sich der Frau behutsam und hielt ihr in einem Abstand von drei Metern die Dienstmarke entgegen.
»Polizei, Miss. Ich hab nur ein paar Fragen.«
Die Frau musterte sie mit einem einzigen Blick und versuchte, sich zu verdrücken.
»He, ich will Sie nur etwas fragen.«
Die Frau lief weiter und eine Spur schneller. Shaeffer folgte ihr.
»Stehen bleiben, verdammt! Polizei!«
Die Frau zögerte und drehte sich um. Argwöhnisch sah sie Shaeffer an. »Meinen Sie mich? Was wollen Sie denn von mir? Man wird ja wohl noch rumstehen dürfen, oder ist das verboten?«
»Nur eine kurze Frage. Haben Sie hier zwei Männer lang laufen sehen? Vor fünfzehn bis zwanzig Minuten? Ein Weißer, ein Cop. Ein Schwarzer in dunkler Regenjacke. Der eine hat den anderen verfolgt. Haben Sie die gesehen?«
»Nee, keine Ahnung, da war keiner. War’s das?«
Die Frau trat ein Stück von der Beamtin zurück.
»Sie haben mir offenbar nicht zugehört«, sagte Shaeffer. »Zwei Männer, einer weiß, einer schwarz. Sie sind schnell gerannt.«
»Nee, sach ich doch, hab nix gesehen.«
Andrea merkte, wie ihr die Galle hochkam. Sie musste sich zusammenreißen. »Verarschen Sie mich nicht, Lady, sonst kriegen Sie richtig Ärger. Zum letzten Mal: Haben Sie jemanden gesehen oder nicht? Raus mit der Sprache, oder ich nehme Sie gleich mit.«
»Ich hab aber keinen gesehen, der ’nem anderen hinterhergejagt ist. Hab den ganzen Abend noch keine Männer gesehen.«
»Sie müssen die beiden aber gesehen haben«, beharrte Andrea. »Sie sind mit Sicherheit hier vorbeigekommen.«
»Hier ist keiner vorbeigekommen, und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.« Die Frau trat zurück und schüttelte den Kopf.
»Wieso belästigen Sie die Leute, Lady?«
Erschrocken drehte sie sich um. Die Frage kam von einem großen, schweren Mann in einer langen schwarzen Lederjacke und einer Baseballkappe der New York Yankees, auf deren Schirm sich die Regentropfen sammelten. Der Mann stand etwa vier Meter von ihr entfernt und kam in einer einzigen Drohgebärde, die zu seinem herausfordernden Ton passte, auf sie zu.
»Polizei«, sagte sie. »Bleiben Sie dort stehen.«
»Mir egal, wer Sie sind. Kreuzen hier auf und belästigen meine Lady da. Was soll das?«
Andrea Shaeffer zog ihre Waffe aus der Tasche und richtete sie auf den Mann.
»Bleiben
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