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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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entfernt prallten mächtige Kräfte aufeinander, doch Pachoula lag in tiefem Schlaf und bekam von dem Kampf, der über dem Ozean tobte, nichts mit. Er wandte sich wieder der leeren Straße zu, auf der er fuhr. Rechts sah er das flache, unscheinbare Schulgebäude in der Dunkelheit, das darauf wartete, am nächsten Morgen wie jeden Tag mit Leben erfüllt zu werden, sobald die Kinderhorden hineinströmten.
    Hier hat alles angefangen. Genau hier ist sie zu ihm in den Wagen gestiegen. Wieso? Wieso hat sie die Gefahr nicht erkannt und ist weggelaufen? Oder hat um Hilfe geschrien?
    Weil sie noch so jung war, wurde ihm bewusst, genau wie seine eigene Tochter. Alt genug, um all den Schrecken dieser Welt ausgesetzt zu sein, aber noch zu jung, um sie zu kennen. Er dachte daran, wie oft er seiner Tochter und Joanie Shriver gegenübergesessen hatte, kurz davor, sie vor den Gefahren, die dort draußen auf sie lauerten, zu warnen, und sich jedes Mal auf die Lippen gebissen hatte, um ihnen noch ein paar Stunden, Tage oder Wochen ihre Unbeschwertheit zu lassen.
    Wenn man erst mal davon weiß, ist etwas unwiederbringlich verloren, dachte er.
    Er konnte sich noch genau erinnern, wie ihm jemand das Wort »Nigger« ins Gesicht geschleudert und wie er sich danach gefühlt hatte. Er war fünf Jahre alt gewesen und war weinend nach Hause gegangen. Seine Mutter hatte ihn getröstet, ihm aber nicht versprechen können, dass es nie wieder passieren würde. Das Böse erfährt man langsam, aber sicher – Vorurteile, Hass, Nötigung, Mord, und mit jeder neuen Lektion bekommt die jugendliche Zuversicht einen kleinen Knacks.
    Er fuhr die wenigen Kreuzungen bis zum Haus der Shrivers. In der Küche und im Wohnzimmer brannte noch Licht, und eine Sekunde lang fühlte er sich versucht, anzuhalten, zu klingeln und hineinzugehen. Sie würden ihm öffnen, das wusste er. Sie würden ihm einen Kaffee anbieten, vielleicht einen Happen zu essen. Wir waren einmal Freunde, dachte er, jetzt nicht mehr. Jetzt erinnere ich sie nur noch an ihre Tragödie. Sie würden ihm im Wohnzimmer einen Sessel anbieten und höflich darauf warten, dass er ihnen sagte, weshalb er vorbeigekommen war. Er würde sich irgendetwas aus den Rippen saugen, was halbwegs amtlich klang. Von dem, was tatsächlich passiert war, konnte er ihnen nichts erzählen. Er konnte ja selbst nicht einmal mit Sicherheit sagen, was Tatsache und was Vermutung war.
    Und dann würden sie, früher oder später, auf ihre Tochter zu sprechen kommen, sie würden ihm sagen, wie sehr ihnen die Besuche seiner eigenen Tochter fehlten, und das wäre zu viel für ihn.
    So blieb er einfach mit dem Wagen vor dem Eingang stehen, bis irgendwann die Lichter gelöscht wurden, als die Shrivers sich schlafen legten. Er fühlte sich unsichtbar, als würde er mit seiner dunklen Umgebung verschwimmen. Eine Schrecksekunde lang kam ihm der Gedanke, dass sich Robert Earl Ferguson möglicherweise genauso fühlte, wenn er durch die Nacht schlich und sich in ihrem Schutz sicher wähnte. Ist es so? Er wusste keine Antwort. Er kam durch Straßen, die er seit seiner Kindheit kannte, Runzeln im vertrauten Gesicht seiner Stadt, bis er die jüngeren Vorstadtviertel erreichte, die von Fortschritt und Zukunft kündeten. Er spürte die Beschaffenheit der Stadt wie ein Bauer, der die Erde zwischen den Fingern zerreibt. Und dann bog er in seine eigene Straße ein, wo er ein gutes Stück von seinem Haus entfernt einen Streifenwagen entdeckte. Er fuhr zügig heran und hielt dicht dahinter.
    Der Beamte am Lenkrad sprang, die Hand an der Waffe, fast im selben Moment von seinem Sitz; gleichzeitig riss sein Partner die Beifahrertür auf und leuchtete Brown mit einer Taschenlampe ins Gesicht.
    Tanny Brown stieg aus. »Ich bin’s, Lieutenant Brown«, sagte er ruhig.
    Der junge Polizist ging auf ihn zu. »Du liebe Güte, Sie haben mich fast zu Tode erschreckt, Lieutenant.«
    »Tut mir leid, ich wollte nur mal nachschauen.«
    »Gehen Sie rein, Sir? Soll ich wegfahren?«
    »Nein, bleiben Sie. Ich hab noch ein paar Dinge zu erledigen.«
    »Wie Sie wünschen.«
    »Irgendetwas Außergewöhnliches gesehen?«
    »Nein, Sir, das heißt, doch, Sir, ein Mal, hat wahrscheinlich nichts zu besagen. Dunkler Ford, neueres Modell, Kennzeichen aus einem anderen Bundesstaat. Ist vor ungefähr einer Stunde zweimal hier vorbeigekommen, im Schneckentempo, als hätte er mich im Visier. Hätte mir das Kennzeichen merken sollen, hab ich leider nicht. Ich hab überlegt, ob ich

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