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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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mit kleinen Figuren ein, und eine pinkfarbene Federboa hing über eine Ecke des Betts.
    »So war es an dem Morgen, an dem sie uns für immer verlassen hat. So wird es für immer bleiben«, sagte Betty Shriver. In dem Moment wandte sich die Mutter des ermordeten Mädchens abrupt ab, und Cowart sah, wie ihre Schultern unter heftigem Schluchzen zuckten. Mit schwankenden Schritten verließ sie das Zimmer und verschwand durch eine Tür, die hinter ihr zufiel. Dennoch war das qualvolle Weinen durchs ganze Haus zu hören. Cowart wandte sich um und sah zum Wohnzimmer zurück, wo der Vater des ermordeten Mädchens, unfähig, sich vom Fleck zu rühren, auf dem Sofa saß und ins Leere starrte, während ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen. Cowart hätte am liebsten selbst die Augen geschlossen, doch stattdessen warf er erneut einen Blick auf das Zimmer der Toten. All die typischen Kleinmädchensachen schienen ihm regelrecht entgegenzuspringen, und für einen Moment glaubte er, keine Luft mehr zu bekommen. Jeder Schluchzer der Mutter drückte ihm die eigene Brust zu, und ihm wurden die Knie weich. Er nahm seine ganze Kraft zusammen und wandte sich von dem Zimmer ab, das er nie vergessen würde. Als er sich umdrehte, blickte er Detective Wilcox ins Gesicht. Er wollte sich entschuldigen und George Shriver noch einmal danken, doch dann wurde ihm klar, dass es für die Qual der Eltern keine angemessenen Worte gab. Und so schlich er sich wie ein Dieb in der Nacht auf Zehenspitzen aus dem Haus.

    Cowart saß stumm im Büro von Lieutenant Brown. Detective Wilcox hatte hinter dem Schreibtisch Platz genommen und blätterte in einer dicken Akte mit der Aufschrift »SHRIVER«, während er den Reporter geflissentlich ignorierte. Seit Verlassen des Hauses hatten sie nicht miteinander gesprochen. Cowart blickte aus dem Fenster, wo er eine große Eiche sah, die in einem plötzlichen Windstoß wankte, bevor ihre zerzausten Zweige langsam wieder zur Ruhe kamen.
    Cowart wurde jäh aus seiner Tagträumerei gerissen, als Wilcox fand, wonach er suchte, und ihm einen braunen Umschlag hinwarf.
    »Da. Mir ist nicht entgangen, wie Sie sich dieses hübsche Foto von Joanie Shriver bei ihr zu Hause an der Wand angeschaut haben. Dachte mir, Sie wollen vielleicht auch wissen, wie sie aussah, nachdem Ferguson mit ihr fertig war.«
    Der Detective versuchte nicht einmal mehr, den höflichen Schein zu wahren; jedes Wort klang mühsam beherrscht.
    Ohne zu antworten, nahm Cowart den Umschlag und leerte die Fotos auf den Tisch. Das erste war das schlimmste: Joanie Shriver lag vor der Autopsie im gerichtsmedizinischen Institut auf dem Obduktionstisch. Ihr Gesicht war noch dreck- und blutverschmiert. Sie war nackt. Es war der Körper eines kleinen Mädchens an der Schwelle zur Frau. Cowart sah tiefe Schnitt- und Stichwunden quer über den Brustkorb und in den kleinen Brüsten. Auch am Unterleib und im Schritt waren Dutzende Wunden zu erkennen. Er starrte darauf, spürte, wie sich ihm der Magen hob, und konzentrierte sich schnell auf ihr Gesicht. Nachdem sie stundenlang im Sumpf gelegen hatte, war es schlaff und aufgedunsen. Einen Moment lang bestürmten ihn die Eindrücke Dutzender Tatorte, die er gesehen hatte, und unzähliger Obduktionsfotos von Gerichtsverfahren, über die er berichtet hatte. Er wandte sich wieder den sterblichen Überresten von Joanie Shriver zu und sah den kindlichen Ausdruck in ihrem Gesicht, nach all den Höllenqualen. Das machte es noch schlimmer für ihn. Er blätterte die anderen Aufnahmen durch, von denen die meisten am Fundort entstanden waren, nachdem die Einsatzkräfte sie aus dem Sumpf gezogen hatten. Was Bruce Wilcox gesagt hatte, fand er bestätigt: Rund um die Leiche waren unzählige Fußspuren zu erkennen. Je mehr Fotos er sichtete, desto unabweislicher wurde klar, dass der Tatort nach dem Einfall solcher Menschenmassen für jede Spurensuche unbrauchbar war. Er blickte erst auf, als Wilcox sagte: »Mein Gott, Tanny, du hast ja ewig gebraucht!«
    Cowart stand auf, drehte sich um und blickte in die Augen von Lieutenant Theodore Brown.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Cowart«, sagte der Polizist und reichte ihm die Hand.
    Cowart nahm sie, auch wenn es ihm beim Anblick von Wilcox’ Vorgesetztem für einen Moment die Sprache verschlug: Tanny Brown war ein Hüne von einem Mann, gut eins neunzig groß, mit breitem Kreuz und langen, kräftigen Armen. Er trug kurz geschorenes Haar und eine Brille. Vor allem aber war er

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